Guten Tag oder guten Abend! Hier bloggt im zwölften Jahr eine
Dolmetscherin und Übersetzerin. Dabei arbeite ich (aktiv und
passiv) mit Deutsch und Französisch sowie (nur passiv, also als
Ausgangssprache) mit Englisch. Dort, wo mich meine Kunden brauchen,
bin ich dann meistens auch tätig: Köln, Berlin, München, Lyon,
Straßburg, Paris ... um nur einige Beispiele zu nennen.
Heute zum 50. Mal der Blick auf den Schreibtisch, der manchmal auch ein Stehpultaufsatz ist. Diese Woche dreht sich alles um:
Stehpultaufsatz
⊗ Preiskalkulation Drehbuchübersetzung
⊗ Afrika (Landwirtschaft)
⊗ Neubau einer Betriebsküche (nachhaltig und umweltneutral)
⊗ Allgemeine Politik (mise à jour)
⊗ Fanpost an einen Theaterschauspieler
⊗ Klimafolgenabschätzung
⊗ EU-Wahlen (Nachlese)
⊗ Buchhaltung und Mahnwesen
... und um die
⊗ biologische Sanierung einer Berliner Altbauwohnung (für eine französische Familie mit Allergikerkind)
Das sind lauter spannende Aufgaben. Ich bin gespannt auf die neuen Themen, die die Zeit bringen wird. Und habe in den kommenden Wochen noch Kapazitäten frei.
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Foto: C.E. (Kunst von Detlef Baltrock)
Bonjour und hello und guten Tag! Was Dolmetscher und Übersetzer so alles erleben, können Sie hier mitlesen. Wir arbeiten als Team überwiegend in Berlin, aber auch in Paris, München, Cannes und dort, wo man uns braucht. Die Arbeit ist meistens hart.
Gemalt
von Orest Kiprenski
Heute dürfen wir an den russischen Nationaldichter und Begründer der modernen russischen Literatur denken. Von ihm stammt das folgende Zitat:
"Übersetzer sind die Postpferde der Aufklärung."
(Alexander Sergejewitsch Puschkin, geboren am 26. Mai 1799 in Moskau, also vor 220 Jahren.)
So fühlen wir uns manchmal, mit dem Kummet oder dem Geschirr auf den Schultern und zu großen Kraftanstrengungen verpflichtet.
______________________________ Illustration: Portrait von 1827 (gemeinfrei)
Seit
mehr als zwölf Jahren beschreibe ich hier meinen sprachbetonten Alltag.
Ich bin Konferenzdolmetscherin und Übersetzerin, arbeite mit der
französischen Sprache ... und mit Englisch als Ausgangssprache.
Manchmal wird unsereiner allerdings vom Arbeiten abgehalten.
Bürodetail
Kostenvoranschlag erbeten! Die Sache ist allerdings so geheim, dass ich leider keinen Probetext erhalte. Dafür 28 (in Worten: achtundzwanzig) Seiten Vertragstext in Neun-Punkt-Schrift, also kurz vor Augenpulver. Ich lese Sätze, die Worte wie "Vertragsstrafe" enthalten. Ich möchte nicht, dass man mir droht, noch bevor ich überhaupt weiß, worum es geht.
Ich antworte, dass ich angesichts der vielen Unwägbarkeiten keinen Kostenvoranschlag abgeben möchte, da der Aufwand unklar und damit nicht kalkulierbar ist. Die Sache wäre eine Art negativer Wundertüte. Die Stelle, es ist eine Unterabteilung einer Bundesbehörde, hakt nach.
Sie möchte dringend eine Zahl von mir haben, da ich sonst von der "potentiellen Anbieterliste" gestrichen werden würde. Das klingt bedrohlich. Wer erstellte wo und wann eine solche Liste? Wo zirkuliert sie? Ich höre zum ersten Mal davon.
Allerdings kenne ich solche Spielchen. Ich kalkuliere flott die Anzahl der Zeichen, konvertiere in Zeilen, schreibe 4,40 Euro je Zeile auf (statt 1,60 oder 1,80 oder 2,50 oder ...) und schicke mein "Angebot" ab. Ich erhalte sogar eine persönliche Dankesmail für diesen Aufwand. Zurecht, denn ich habe unbezahlte Arbeitszeit eingesetzt.
Was war das jetzt? Möglicherweise war hier im Rahmen der Kostendämpfung oder der Vermeidung von Günstlingswirtschaft eine erweiterte Ausschreibung fällig. Allerdings sind nicht alle teilnehmenden Übersetzer persönlich bekannt, dürfen also keinen Einblick in die Unterlagen nehmen. Am Ende brauchen sie eine Zahl, wie viele Dienstleister teilgenommen haben. Ich hoffe sehr, sie veröffentlichen hausintern auch einen Durchschnitt der abgegebenen "Gebote".
Nach dieser unerfreulichen Erfahrung wende ich mich den wirklich wichtigen Dingen zu. Ich würde mir wünschen, wenn es ein Nachdenken geben würde, wie solche Verfahren und Auftragsverfahren besser geregelt werden, damit sie nicht in komische Ausschreibungsgymnastik münden. So bleibt ein schaler Nachgeschmack. Berücksichtigen solche Bieterwettkämpfe auch Qualität? Oder war das nur Kostendämpfung? Vermeidung von Nepotismus? Für den Papierkorb!
Über
den Arbeitsalltag einer Dolmetscherin können Sie hier einiges lesen.
Wenn ich nicht Konferenzen vertone, sitze ich am
Übersetzerschreibtisch. Und gelegentlich blödel' ich mit früheren Kunden rum, sogar aus der Ferne ... Ein von mir sehr gerne verdolmetschter Historiker, den ich vor Jahren noch zufällig in Berlin beim Spaziergang treffen konnte, hat ein spannendes Buch veröffentlicht. Es handelt sich um Nicolas Offenstadts "Le pays disparu", "Das verschwundene Land", hier ein Radiobeitrag vom DLF über das Buch. Bei Lesungen in Frankreich werden ihm, so berichtet er, von Zuschauern immer wieder Erinnerungen von früheren DDR-Reisenden erzählt. Neulich brachte jemand sogar "Alu-Chips" mit, DDR-Kleingeld. Das war der schöne Anlass, sich eines Witzes zu erinnern.
Und fürs Protokoll: Ich würde sehr gerne dieses Buch übersetzen. Hat hier jemand einen guten Verlagskontakt? Ich würde zudem als "Wossi" gerne dazu ein Vorwort schreiben und (noch einmal) Regisseur Peter Kahane interviewen, den ich für mich schon 1990 im Rahmen meiner (nicht beendeten) Doktorarbeit entdeckt habe.
Ein Witz der damaligen Zeit: Was sehen wir auf dieser Banknote? Eine Kameradin, die gerade ihren Kaufvertrag für einen Wartburg unterschrieben hat. Das ist die Rückseite des Zehn-Mark-Scheins.
Und was ist auf der Vorderseite abgebildet?
Es ist die gleiche Frau, allerdings an dem Tag, an dem sie das Auto erhält. (Oder, in den Worten eines meiner Brüder: "Der Wartburg heißt Wartburg, weil darauf lange gewartet werden muss.")
Guten Tag! Sie sind mitten in ein Arbeitstagebuch reingeraten, in dem sich alles um Sprache, Dolmetschen, Übersetzen und Kulturen dreht. Als freiberufliche Dolmetscherin und Übersetzerin arbeite ich in Cannes, Schwerin, Paris, Berlin, Brüssel und gerne dort, wo Sie mich brauchen! Heute ein anderer Blick auf den glanzvollen Festivalbetrieb.
Cannes: Pailletten, Strass, Glamour, Stöckelschuhe, Manner aller Altersgruppen in Smokings, überwiegend junge Ladies in hautengen Roben, kaum ein Film aus weiblicher Hand, so schaut's dieser Tage an der Côte d'azur aus.
"In Cannes zeigen Frauen ihre bobines, Männer ihre Filme" lautete schon vor vielen Jahren die Überschrift eines Gastbeitrags der Abendzeitung Le Monde. Das Wort bobines ist natürlich schillernd doppeldeutig gemeint, so heißen Filmbüchsen, im vorliegenden Kontext sind aber eher Brüste gemeint. Die Lage ändert sich nicht, solange Frauen viel seltener Geld für Filmproduktion (und Stoffentwicklung) bekommen und ihnen noch viel weniger große Budgets anvertraut werden.
In der Unterzeile des Artikels weist Festivaldirektor Frémaux 'positive Diskriminierung' zurück
"Frauen und andere Minderheiten" haben in Cannes heute ebensowenig ihren selbstverständlichen Platz wie manche Filmkulturen und Sprachen. Immerhin werden die Filmdiskussionen noch auf Französisch geführt (und ins Englische verdolmetscht). Verglichen mit Berlin ist das ...
Naja, ich erspare mir die Polemik. Und weil wir Frauen ja Fachleute in Sachen Putzen und derlei sind, hier noch ein rascher Blick in die Festivalkulissen, mein Foto des Monats. Für etwas Glamour lass' ich eine Handvoll Goldstaub springen. Voilà !
Meine Mülltrennung im Hotel
Warum bekommen Hotels eigentlich keine Mülltrennung hin? Hier meine Ausbeute gegen Ende von sechs Festivaltagen: (1) Plastik, (2) Papier (3) Biomüll in der Papiertüte (4) Geschirr (mit dem kompletten Plastikmüll).
Für den Papiermüll gibt es im Hotel keine Abwurfstelle, ich habe ihn im Festivalbüro entsorgt. Biomüll hat auch dort niemand auf dem Schirm. Ich bin alle zwei Tage einen kleinen Umweg gegangen und habe den Busch einer Grünanlage gedüngt. Guerilla composting!
Cannes sollten ALLE Frauen boykottieren, bis die verantwortlichen Filmbranchenmänner ihr Umwelt- und Genderproblem gelöst haben. Ich stelle mir das grad ganz praktisch vor. Die Filmförderverantwortlichen, in der großen Mehrzahl inzwischen Frauen, könnten auch am Rad drehen. Ich stelle mir vor: Ein Jahr Filmproduktionspause für alle, das Geld wird in Stoffentwicklung investiert und in Fortbildungen, damit niemand hungern muss, wobei die Gelder zu 2/3 an Frauen gehen sollten (als ausgleichende Gerechtigkeit, und an junge Eltern). Parallel dazu sollte in der Branche ein bedingungsloses Grundeinkommen gezahlt werden. Das würde einige Jahre später die Festivals komplett durchpusten!
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Illustration:Le Monde / C.E.
Hier bloggt eine Übersetzerin und Dolmetscherin — mal mehr, arbeits- und familienbedingt mal weniger. Meine Links-der-Woche-Reihe will ich wieder aufgreifen. Ganz ehrlich: Ich war ein wenig (sehr) in Schockstarre ob der Weltnachrichten verfallen. Ich halte unsere Ära für eine der gefährlichsten der mir bekannten Zeiten. (Aber das meinen Zeitgenossen von Krisen sicher immer.) Und da ich einst bei der großen Verteilung der Charaktereigenschaften beim Thema Sprachtalent und Empathie mehrfach "hier!" geschrieen habe, hatte ich viel zu verarbeiten. Samstags von jetzt an wieder: Die Links der Woche, die mir aufgefallen sind. Also Lieblinks.
Langer Vorspann für zwei Themen: Die Zeitschrift "Die Fackel" von Karl Kraus ist online. Komplett. Aber nur dann, wenn das Archiv erreichbar ist (jetzt gerade nicht). Erschienen 1899 bis 1936, insgesamt 22.500 Seiten (er war der Sohn eines Papierfabrikanten), als Faksimilie und Digitaltext sowie mit Volltextsuche.
Darum geht's: Unter der Federführung des Thünen-Instituts in Braunschweig und der Universität Kassel wurde ein Bericht mit dem Titel "Leistung des ökologischen Landbaus für Umwelt und Gesellschaft" erarbeitet. Das Ergebnis vorweg: Bei knapp 60 Prozent der verglichenen Höfe sind signifikante Vorteile der ökologischen Bewirtschaftung zu beobachten. Reinlesen in die vertiefte Argumentation lohnt sich sehr!
Aus der Begleit-PPT der Studie
Dass ich diese Studie demnächst an einem Arbeitstag studieren werde, firmiert unter nicht bezahlte Arbeitszeit. (Sollte ich ausgebucht sein, was zur Stunde nicht absehbar ist, werde ich mich vorerst mit der Kurzfassung begnügen.) Öko- und Landbauthemen gehören bei mir schon allein aus privaten Gründen zum Repertoire. Als Allergikerin ernähre ich mich seit Jahrzehnten überwiegend vegetarisch, oft
vegan, kaufe "biologisch" produzierte Lebensmittel.
Den Begriff habe ich schon mit 15 Jahren, als meine 'kleine Oma' zum
ersten Mal davon sprach,
als irreführenden Ausdruck wahrgenommen. "Alles, was wächst, ist doch biologisch, auch das Industriezeug", ging mir
durch den Kopf. Heute wissen schon Kinder, wie das Wort zu verstehen ist. In wenigen Jahren wird "Bio" wieder die (konventionelle) Normalproduktion sein, wie es Jahrhundertelang der Fall war.
Wir brauchen dringend einen Umbau der EU-Agrarsubventionen, weg von der
Gießkanne, in der das Geld nach Grundstücksgrößen fließt, hin zu
Nachhaltigkeit für Flora und Fauna, Wasser, gesundheitlicher
Arbeitsschutz und Lebensmittelqualität. Ökolandbau ist klima- und
umweltschonender.
Feldblumenstrauß
Dazu noch dieser Sichtungslink: "Hektarweise Geld", Agrarsubventionen in der EU, ZDF 'planet e'. Der Film erklärt die Agrarsubventionen, die Zusammenhänge mit dem Raubbau an der Umwelt, und er fordert eine Agrarwende.
In acht Tagen sind Wahlen. Es geht um nichts geringeres als um die Grundlagen des Wunders Erde.
Wie und was wir arbeiten, beschreibe ich hier. "Wir", das sind etliche Konferenzdolmetscher und Übersetzer im Netzwerk selbständiger Profis. (Kein Makler oder Agentur.) Vor dem Event liegen oft lange Tage der Vorbereitung. Umso schöner, wenn die Reaktionen unserer Hörer gut ausfallen.
Historische Bildungsmedien
Ach, und da war noch der Unidekan einer bekannten Kunsthochschule. Er hat mich auf einer zweitägigen Konferenz gehört, ich habe einen Vortrag ins Deutsche übertragen und live "eingesprochen", dann noch zwei Diskussionen verdolmetscht. Das Event war klein, offen und spannend. Ich bin nach meinen "Beiträgen" geblieben und habe auch Rednern die eine oder andere Frage gestellt.
Dann fragt beim Abschlussumtrunk nämlicher Dekan mit Blick auf mein (handgeschriebenes) Schild, auf dem nur der Name stand: "Frau Elias, bitte sehen Sie es mir nach, dass ich Sie all die Jahre übersehen habe! An welcher Universität sitzen Sie?"
Ich durfte grinsen. Das ist jetzt Uni-Jargon: "Jemand sitzt an einer Hochschule" ist gleichbedeutend mit dem Ausdruck "jemand bekleidet einen Lehrstuhl". Der Herr Dekan hat mich für eine Professorin der Kunstgeschichte gehalten.
Ja, ich habe länger in Paris gelebt und hatte im Nebenfach Kunstgeschichte belegt. Nicht nur Notre-Dame de Paris habe ich vor Ort studiert. Ein größeres Lob gibt es wohl nicht, oder?
Bonjour
und hello und guten Tag! Was Dolmetscher und Übersetzer so alles
erleben, können Sie hier mitlesen. Wir arbeiten als Team überwiegend in Berlin, aber auch in Paris, München, Cannes und dort, wo man uns braucht. Sogar gelegentlich in Brüssel ...
Auch Europa ist eine schöne Frau
Die Vielfalt der Sprachen Europas wird im Parlament widergespiegelt. Die EU hat 24 Amtssprachen, somit müssen die Dolmetscher und Übersetzer in Brüssel und Strasbourg mit 506 Sprachkombinationen arbeiten. Das kostet die europäische Kasse insgesamt ca. eine Milliarde Euro. Auf den ersten Blick sieht das nach viel aus.
Im Vorfeld der EU-Wahlen ist oft zu hören, man solle doch künftig alles auf Englisch machen und die Sprachenvielfalt abschaffen. Dabei sprechen so viele Menschen in Europa überhaupt nicht gut Englisch ... also ein klassische Idee bestimmter Kreise, die nicht über ihren Tellerrand hinausschauen können oder wollen.
Diverse EU-Institutionen beschäftigen an die 4300 Übersetzerinnen und Übersetzer, außerdem 800 Dolmetscherinnen und Dolmetscher. Die Spracharbeiten beider Berufe zusammen kosten sämtliche Institutionen der EU weniger als ein Prozent des jährlichen Gesamthaushalts der EU aus.
Auf die Gesamtbevölkerung der Europäische Union umgelegt sind das etwa zwei Euro pro Jahr und Nase. Es ist also doch nicht wirklich viel Geld.
Der Vorschlag "Englisch für alle" erinnert mich ein wenig an frühere Zeiten, in denen in der Kirche auf Latein gepredigt wurde, obwohl nicht alle dieses Idiom verstanden haben. Vor solchen Entscheidungen müssen erstmal die Bildungsausgaben vieler Länder um 50 bis 100 Prozent erhöht werden und dauerhaft hoch bleiben.
Deutschland steht im internationalen Vergleich schlecht da, was die Bildungsbudgets angeht, und im Bereich der Kleinkindpädagogik soll sich das demnächst sogar noch weiter verschlechtern. Wäre ich Politikerin, ich würde in der Bildungsrepublik Deutschland sofort alle Bildungsetats verdoppeln und nicht nur in digitale Schultafeln oder die Renovierung von Schülertoiletten investieren.
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Foto: C.E. [Geburtstagsgruß an eine,
der Bildung auch sehr wichtig ist!]
Jede Berufsgruppe hat das Gefühl, dass sich die ganze Welt nur um sie dreht. Das weiß ich spätestens seit einer Recherche über die Pariser Métro. Das war in einem früheren Berufsleben. Jetzt berichte ich über Dolmetscher und Übersetzer. Auch hier mäandert eine Parallelwelt vor sich hin. Mehr Wissen über unseren Alltag möchte dieser Blog in die Welt bringen.
Ein Kunde sendet einen Text auf Französisch mit der Bitte um Übersetzung. Allerdings merke ich gleich in den ersten Zeilen, dass ich mit der Arbeit nicht nur nicht glücklich werde, sondern dass sie unmöglich ist. Es geht um die Zukunft der Filmfinanzierung.
Hier treffen kulturelle Unterschiede auf juristische und finanzielle. In meinem Rechner finden sich dazu etliche Referenztexte, zum Teil von uns im Team übersetzt. Der neue Text wurde in Brüssel geschrieben und wird dieser Tage in Cannes gebraucht. Es geht um Filmfinanzierung in Europa. Ganz offensichtlich wurde er von jemandem verfasst, der/die nicht in einem französischsprachigen Land aufgewachsen ist.
Das Ganze sieht nicht nur aus wie schon mal |gegessen| übersetzt, der Text liest sich auch so, als wären ein Praktikant und/oder Doc Gargoyle, der (vermeintlich) kostenlose digitale Daten(wasser)speier, an seiner Entstehung beteiligt gewesen.
Kurz: Ich verstehe maximal die Hälfte, und auch da bin ich mit mir selbst und meinen Interpretationen nicht immer einer Meinung. Das geht zu weit! 45 Zeilen, die ganz alleine mit sich "Stille Post" spielen ...
Text zurück zum Kunden ... mit einem freundlichen Erklärungsschreiben. Wir übersetzen und dolmetschen doch nur! Kaffeesatzleserei gehört nicht zum Angebotsspektrum. Kristallkugeln kommen woanders vor. Der Knauf meiner Kuchenglocke hilft auch nicht weiter.
Sonntagskuchen
Einen Tag später kommt die englischsprachige Vorlage. Sie ist verständlich und wird jetzt sowohl ins Französische als auch ins Deutsche übertragen. Geht doch!
Bonjour,
hello, guten Tag. Hier bloggt im 13. Jahr eine Dolmetscherin,
üblicherweise mehrmals die Woche. Der Weg von der eigenen Küche in die Großküche ist manchmal sehr kurz.
Was mich an meinem Beruf begeistert, ist das Kennenlernen neuer Lebens- und Arbeitswelten. Wir Dolmetscherinnen und Übersetzer (oder Übersetzerinnen und Dolmetscher) müssen neugierig sein und schnell lernen, sonst ist der Beruf eine Qual.
Nach dem Kochen
Und so darf ich viel über den Bau und Betrieb von Großküchen lernen. Ein Team von Bauherren, darunter auch Köche, sieht sich eine französische Großküche an.
Praktisch: Die Deutschland-Bereichsleiterin souffliert mir den einen oder anderen Fachbegriff, der sich in keinem Wörterbuch finden ließ. Am Ende schreibe ich meine eigene Vokabelliste.
Hat mich etwas irritiert oder überrascht? Sehr hohe Wischleisten, les plinthes, auch "Schmutzleisten" genannt, wurden zu "Schutzleisten" im Bereich der Warenanlieferung. Das Wortspiel habe ich nicht ausgelassen. Ich hätte dahinter zudem einen Schacht zur Installation diverser Technik (Strom, Heizung, ...) vermutet. Dieser "Schacht" wurde als eine Art Kriechboden (Höhe 1,50 m) oberhalb der Räume installiert, eine Halbetage für Versorgung, sehr flexibel, und le plénum genannt.
Auch wurden beim Neubau bereits die Außenwände berücksichtigt, an die ein Erweiterungsbau gesetzt werden kann. Wandmodule, die entfernt werden können, bieten die Möglichkeit, künftig auch sehr große Küchengeräte, die nicht durch die Tür passen, auszutauschen.
Schleuse von schmutzig zu sauber
Am besten fand ich von diesen Geräten die Gemüsewasch- und -schälmaschinen mit anschließendem Stärkeabscheider (séparateur à fécules). Mit Stärke angereichertes Grauwasser (z.B. vom Kartoffelwaschen und -schälen) wird hier einer "Dekantierung" unterzogen, bis sich diese Bestandteile abgesetzt haben, denn stärkehaltiges Wasser schäumt stark und es ist zu vermeiden, dass der Schaum aus der Kanalisation aufsteigt. Der Bodensatz wird dann anderweitig entsorgt.
Außerdem kommen beim Großküchenneubau vor: Fettabscheider (séparateur de graisses) und Schwerkraftabscheider/Ölabscheider (séparateur d'hydrocarbure) im Bereich Be- und Entladung.
Vokabelnotiz mur non porteur en placoplâtre — nichttragende Gipskartonwand gorge concave, creuse, arrondie — Hohlkehle joint butyl — Butyl-Fugenmasse (zähplastische Dichtung) zone souillée — Schwarzbereich (Lieferbereich, Büros etc.) zone propre — Weißbereich (= 'Sauberbereich', Küche u.a.) eau potable — Trinkwasser eaux usées peu utilisées — Grauwasser eaux-vannes — Schwarzwasser
Das Schwarz-Weiß-Prinzip ist eine interessante Sache, hier der Link zu Wikipedia.
Bonjour und hello und guten Tag! Was Dolmetscher und Übersetzer so alles erleben, können Sie hier mitlesen. Die Umwelt geht uns alle an. Täglich. Hier meine Sonntagsbilder.
Kochen entspannt
CO2-sparende, vegane und trotzdem nahrhafte Mahlzeiten sind so einfach aufzutischen! Und im Handumdrehen zubereitet. Ich kaufe meine Spiralnudeln dreifarbig (mit Spinat- und Tomatenextrakten gefärbt) im Unverpacktladen, dort kommen sie als "Bulkware" ins Geschäft. Ich gehe direkt mit meinen eigenen Vorratsgefäßen einkaufen. Die sind auch noch lebensmittelmottensicher.
Dann auf dem Markt vier Hände voll Wildkräuter aus der Region holen, in Papier verpackt, diese waschen, grob hacken, mit etwas Zitronensaft beträufeln. Auch das: Einen Schwung Zedernüsse (LKW-Ware aus Sibirien) in der Pfanne etwas anrösten, zusammen mit den Kräutern weiterhacken. Dazu Olivenöl (kaltgepresst) und Gemüsebrühe (ohne Hefe, mit dem Puderzuckersieb locker darüber verteilt), Pfeffer, Kräutersalz, Muskatnuss, alles schnell mischen und ohne Zeitverzug servieren.
Ja, die Mengenangaben sind ungenau, das ist Küchenalltag. Ich nehme vier Hände Wildkräuter für zwei Personen. Das Rezept werde ich bei Gelegenheit mal nachwiegen und Details nachliefern.
Gutes Essen ist für uns geistige Hochleistungsarbeiter von großer Bedeutung: Regional, saisonal und traditionell, z.B. Leinöl, liefert die besten Inhaltsstoffe. Ich kaufe meistens Bioqualität. Dabei lebe ich nicht nur vegan. Tierische Eiweiße kommen vor, Fisch und Fleisch selten. (Zitronen und Zedernüsse, LKW- und Flugware, sind ein Eingeständnis an die Ernährungsvielfalt. Ab und zu. Hohen Vitamin-C-Gehalt hat auch Scharbockskraut.)
Seit mehr als zwölf Jahren beschreibe ich hier meinen sprachbetonten Alltag. Ich bin Konferenzdolmetscherin und Übersetzerin, arbeite mit der französischen Sprache ... und mit Englisch als Ausgangssprache. Meistens jedenfalls.
"Fresse!" habe ich gesagt — zu mir selbst. Eine so direkte Ansprache ist sonst nicht meine Art. Dolmetscher sind ohnehin eher zwei Spuren höflicher als andere Zeitgenossen. Diesmal aber war alles anders.
Neulich habe ich ins Englische und aus dem Englischen gedolmetscht. Das war sehr interessant und eher lustig. Nur tief in mir drin gab es eine Stimme, die fand das irgendwie überhaupt nicht gut.
Dazu muss ich erwähnen, dass wir Dolmetscher Sprachen alphabetisch sortieren. "A" steht für die Muttersprache (Deutsch), "B" für die Hauptarbeitssprache (Ziel- und Ausgangssprache, bei mir Französisch) und "C" ist die sogenannte passive Sprache, die Ausgangssprache, in meinem Falle Englisch. Hier habe ich Fragen ins Englische gedolmetscht und die Antworten zurück ins Deutsche.
Da vorne bin ich irgendwo :-)
Das Unterbewusstsein wollte aber nicht Ruhe geben. Es hat sich immer lauter geäußert. Hat sich beschwert: "Was machst du denn da? Du kannst doch gar kein Englisch!" Mein Bewusstsein: "Hör doch hin, das klappt erstaunlich gut!" Das Unterbewusstsein: "Du bist 'ne Hochstaplerin." Mein Bewusstsein: "Fresse!"
Die Zeit, die es braucht, um anderthalb Antworten zu dolmetschen, war ich verunsichert.
Das Ganze geschah mitten auf der Bühne des 29. Filmkunstfests Schwerin. Aber ich habe mich schnell wieder gefangen. Ich liebe es, in echten Arbeitssituationen die C-Sprache trainieren zu dürfen. Dieses Trainingsmoment war eher diskret; für das Publikum habe ich die meiste Zeit ins Deutsche gedolmetscht. Dieses Jahr war Irland das Gastland. Es gab viel Besuch. Es hat sich angefühlt, als wären sie alle nur für mich von der grünen Insel angereist. So schön! Ich liebe meinen Beruf. Trotz solcher inneren Dialoge.
[Und ja, auch mit Jahrzehnten Berufspraxis auf dem Buckel, das Wort darf inzwischen ins Plural, kennen wir gelegentlich noch Lampenfieber, Selbstzweifel und Stressgedanken, die die Routine torpedieren. Adrenalin hilft uns, so hochgradig und dauerhaft aufmerksam zu sein, wie wir es müssen. Außerdem ähnelt ja auch die Art unseres Arbeitens immer wieder Prüfungssituationen früherer Zeiten.]
Was Französischübersetzer und -dolmetscher beschäftigt, können Sie hier mitlesen, zumindest aus meiner Perspektive. Heute beginnt eine neue Reihe mit der oft unfreiwilligen Poesie (oder Komik) automatischer Übersetzung. Einsendungen herzlich willkommen!
Ein Internetnutzer schrieb, um ein Pflegeetikett zu kommentieren: "Hier ist London. Franzosen sprechen zu Franzosen. Doch vorab einige private Nachrichten!"
Unfreiwillig poetisch
Franzosen haben jetzt das Rauschen von Mittelwellensendern der frühen 1940-er Jahre im Ohr und "Bumm-Bumm-Bumm-Bomm".
Dann folgen skurrile Geheimbotschaften, die damals nur die Empfänger entschlüsseln konnten, darunter geheimnisvolle Sätze wie: "Gabriel bleibt anonym". "Das Gespenst ist nicht geizig" oder "Der Abt ist nervös."
Bei der Abbildung oben links handelt es sich allerdings um einen Kassiber direkt aus den berüchtigten Sweatshops der asiatischen Textilindustrie, verstärkt durch die Hölle digitaler zum Zwecke der Übersetzung versklavter Bits und Bytes.
Wascheinleitung
Die Ausgangsfassung, die englische Variante ist schon arg gestammelt, vor allem in der Interpunktion: Machine wash cold / separateley. / Tumble dry low. / Only non-chlorine bleach. / when needed. / Do not iron over design. / Do not dry clean.
Oben steht deutsche Übersetzung dieser französischen Variante: La machine lave le rhume / séparément. / Tomber sec bas. / Seulement le décolorant de / non-chlore,quand eu besoin de. / Ne faire pas le fer par-dessus / la conception. / Ne pas sécher propre. / Fait dans Chine.
Wir Spracharbeiter und -arbeiterinnen verteidigen stets unsere Einzigartigkeit in Sachen Verständnis und Analyse.
Diese setzt auf die Kenntnis von Zusammenhängen. Diese Zusammenhänge werden gerade programmiert bzw. die Industrie baut auf Machine learning, automatisches Erkennen der Wortfelder, Wiedergabe von Zusammenhängen.
Hätte die Maschine hier schon auf ein Wortfeld zurückgreifen können, wie es die nächste Generation von Übersetzungsmotoren machen soll, wäre die Sache möglicherweise noch schicker falsch gewesen. Hier wurde ja tumble dry only zu tomber sec bas, tumble wie "schleudern" oder eben "stolpern", eine Bewegung von oben nach unten. Bei Tieren heißt gebären auf Französisch mettre bas, das mettre ist wie das Englische to put, bas wie "runter", "unten". Mettre bas wird bei Tieren in Zusammenhang mit der Geburt verwendet, wir kennen das aus dem Deutschen, wo das Wort "Niederkunft" allerdings nur für Menschen zur Verwendung kommt.
Was ich sagen will: Im Hinblick auf ein anderes Wort, denn das englische design wurde hier als conception wiedergegeben, was auch "Zeugung" heißt, wäre diese Übelsetzung vom Wortfeld ausgehend auch so möglich gewesen:
"Die Maschine wäscht den Schnupfen / getrennt. / Trockene Geburt. / Nur das Bleichmittel von / chlorfrei, wenn nötig ist. / Nicht mit dem Eisen überbügeln. / die Zeugung. / Nicht trocken sauber. / Hergestellt in China"
Solchen Humbug bei der Auswahl aus Wortlisten können denkende Menschen (mit Vorwissen) vermeiden. Die Wortwiederholung von "trocken" auch. Maschinen nicht. Sie haben keinen blassen Schimmer von dem, worum es geht. Der in diesem Kontext übrigens ein chlorgebleichter Schimmer sein müsste.
Hintergrundwissen ist auch nötig, um kulturelle Anspielungen zu erkennen. Auch das ist zutiefst menschlich. Siehe oben. Hier zum Reinhören:
Aufnahme um 1943/44
______________________________ Illustration/Film: Netzfund, ArchivesRadio, Caroline Elias