Mittwoch, 13. März 2019

Voll von der Rolle

Dol­met­scher und Über­setzer leis­ten eine Ar­beit, die den Zu­sam­men­halt der Ge­sell­schaf­ten fes­ti­gen hilft. Trot­zdem weiß kaum je­mand, wie wir ar­beiten. Hier be­rich­te ich in lo­ser Fol­ge da­rü­ber. Und das seit mehr als zwölf Jah­ren.

Neu­lich ha­be ich die Pro­zess­vorbe­rei­tung eines An­walts und seiner Man­dantin verdol­metscht: Es ging darum, dass die Mandantin, ein Zimmer­mädchen im Hotel, aus faden­schei­nigen Grün­den ent­lassen worden ist.

Sie war bei einer Zeitar­beits­firma angest­ellt, die im Auftrag eines Luxus­hotels tä­tig wurde. Dort sind im­mer die Klo­pa­pier­rollen im Müll ge­lan­det, wenn sie er­kenn­bar an­ge­bro­chen wa­ren (wenn we­ni­ger als die Hälfte ver­braucht war).

Schweinchenrosa Klopapier
Die Zeit­ar­beits­fir­ma wollte das Zim­mer­mäd­chen aus ir­gend­wel­chen Grün­den, die ich nicht über­sehe, los­wer­den. Also wurde sie des Dieb­stahls an­ge­zeigt. Sie hat diese halb­vol­len Klorollen nicht in den Müll getan, son­dern mit nach Hause ge­nom­men.
Ich musste an die Ver­käu­ferin den­ken, die wegen der Ein­lö­sung ei­nes am Boden gefun­de­nen Pfand­bons entlassen worden war.

Und an die nicht ab­rei­ßen­den Diskus­sio­nen über die Ma­na­ger­ge­hälter. Nach mei­ner un­we­sent­li­chen Er­fah­rung mit fran­zö­si­schem und bel­gi­schem Kino ist das übri­gens ein Plot fürs Cinéma d'auteur, das auf Deutsch meistens "Art­house-Kino" heißt.

Und wie ha­be ich in die­sem be­son­de­ren Fall ge­ar­bei­tet? Sehr ruhig, zu­rück­hal­tend, mit Em­pa­thie und doch kla­rer Linie. Ich darf Mit­ge­fühl zei­gen, aber kein Mitleid ha­ben. Das habe ich bei ei­nem Coaching ge­lernt.

Der An­walt hat meine Hal­tung be­merkt und sich beim Ab­schied auch noch ein­mal be­son­ders da­für be­dankt. In der Ver­hand­lung wird dann eine vom Gericht ein­be­stell­te Kol­legin oder ein Kol­lege dol­met­schen. Für die Be­klag­te ist der stän­di­ge Wech­sel suboptimal.

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Foto: C. Elias

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