Herzlich willkommen auf den Seiten meines digitalen Arbeitstagebuchs. Als Französischdolmetscherin notiere ich hier unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse Episoden meines nicht immer erfreulichen Dolmetscheralltags. Heute plaudere ich mal wieder (nicht) aus dem Nähkästchen.
Neulich durfte ich kurzfristig das informelle Mittagessen eines französischsprachigen Politikers mit deutschen Pressevertretern dolmetschen. Es ging um ein Medienthema, das nicht frei ist von Bezügen auf die große Politik, Finanzierung der Medien und Rechtliches, Stichwort: Welthandelsabkommen.
In den genannten Bereichen arbeite ich oft, die Lexik umfasst mehr als 20 Seiten; zu französischer Filmwirtschaft und -förderung habe ich Mitte der Nuller Jahre an der Uni unterrichtet.
Vor dem Mittagessen war ein Hearing mit Politikern und Fachleuten angesetzt. Ich war eingeladen, diesem aus dem Publikum zu folgen. Zum Mittagstermin war ich übrigens erst am Spätnachmittag des Vortages gebucht worden, 17.20 Uhr. Für den anschließenden Abend hatten wir seit langem Konzertkarten, an Vorbereitungsmaterial gab es wenig. Kurz: Ich paukte kurz und intensiv, ging ohne Reue aus und beruhigte mich damit, dass ich noch den Vormittag Zeit haben würde.
Der eben ein Vormittag bei einer verdolmetschen Veranstaltung war. Schick, dachte ich, die Kolleginnen in der Kabine werden länger im Voraus gebucht worden sein, die Anhörung gut vorbereitet haben. Da kann ich mir noch aktuelle Termini ablauschen und im Netz prüfen, denn von einem früheren Termin vor Ort hatte ich noch Wlan-Zugang.
Nun, vielleicht war nicht nur ich kurzfristig gebucht worden — oder es hatte sich wieder die Kulturfalle aufgetan. Die geht so: "Kultur ist einfach, ich gehe regelmäßig ins Kino, kein Problem." Elegantes Paraphrasieren ist eine Kunst für sich, das Hearing dauerte drei Stunden mit Pausen, ich klinkte mich also bewusst 30 Minuten aus, steckte mir Klassik in die Lauscher, surfte hochkonzentriert durch diverse leicht auffindbare Dokumente und wandte mich dann wieder der Veranstaltung zu. In der Pause klärte ich mit einem Fachmann noch Hintergründe.
Später durfte ich schmunzeln, das Wort "Meritokratie" fiel auf Französisch, seit einiger Zeit macht es ja auch auf Deutsch die Runde, und meine Tischnachbarn tuschelten sich etwas zu, weil offenbar Unklarheit herrschte: Bei ihnen war "Mediokratie" angekommen, und sie fragten sich, ob nun das Herrschaftsprinzip der Medien oder das der Mittelmäßigkeit gemeint gewesen sei.
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Foto: ein anderer Ort, Datenschutz!
1 Kommentar:
Liebe Caroline,
das musst Du aber etwas ausführlicher schreiben, "Mitte der Nuller Jahre", tse, tse. Du hast sieben Jahre lang unterrichtet, und zwar an den führenden Universitäten und Filmhochschulen der Region!
Am schönsten war Dein Seminar zu den Kinoberufen parallel zur Französischen Filmwoche. Ist Dir eigentlich klar, dass die Hälfte von uns inzwischen im Kinosektor arbeitet?
Alles Liebe,
Line
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