Freitag, 20. Dezember 2013

Bildstörung

Bienvenue! Sie sind auf der Sei­te ei­ner Dol­met­scher­in und Über­setzerin für die fran­­zö­­­si­­­sche Spra­che ge­lan­det. Hier schrei­be ich über mei­nen viel­sei­ti­gen Alltag. Heute werfen wir einen scharfen Blick auf den Schreibtisch. Und zwar in Fort­­setz­­ung meiner Texte von vorgestern und gestern.

Viele meiner Kunden sind öffentlich-recht­­li­­che Sender oder deren Töchter, denn ich habe mich (neben Politik und Wirt­­schaft) auf Medien und Film spezialisiert. Das stößt bei vielen Bloglesern auf großes Interesse. Der Begriff "Filmdolmetscher" gehört hier zu den Meistgesuchten. Leider muss ich al­­le ernstlich warnen, die in diesem Be­­reich Berufsabsichten hegen. Vielleicht liegt es daran, dass wir immer öfter unbewusst mit jenen in einem Topf geworfen werden, die wir vertonen.

Der Filmsektor aber blutet aus. Das ver­­tie­fe ich morgen mit Linktipps. Heute erst­mal ein konkretes Beispiel.

Vor kurzem bat mich ein guter Medienkunde um eine Kosteneinschätzung. Ich be­sah mir das Dokument, zählte die Zeichen, landete bei ca. 1400 Euro, Zeit: Eine Woche. Der Text, sieben Seiten mit 10-Punkt-Schrift, entsprach mit über 50.000 Anschägen inklusive Leerzeichen vom Umfang her dem Drittel bis der Hälfte eines aus­ge­wach­se­nen Drehbuchs.

Der Kunde schrieb mir daraufhin: "Leider habe ich ein zweites, günstigeres An­ge­bot er­hal­ten: 700 €" innerhalb von fünf Tagen. "Können Sie vielleicht noch was am Preis machen? Sonst muss ich mich wahrscheinlich leider für die günstigere Va­ri­an­te entscheiden."

Nein, das konnte ich nicht. Meine Antwort kleidete ich in ein Bild: "Ich habe zwei Brillen: Die eine vom Optiker um die Ecke mit voller Gewährleistung und Gra­tis­re­pa­ra­tu­ren, die Ersatzbrille habe ich mir aufschwatzen lassen, ein "günstiger" An­bie­ter aus dem Netz, das Rezept ging nach Asien, sie hat nur die Hälfte der Erst­bril­le gekostet, aber bereitet mir nach zwei, drei Stunden zuverlässig Kopf­schmer­zen. Reklamieren konnte ich sie zwar, aber sie kam nach vier Wochen un­ver­än­dert zu­­rück. Naja, wie der Optiker um die Ecke haben wir höhere Ge­steh­ungs­kosten, an­de­re Aus­bildungsstandards sowie langjährige Erfahrung ..."

So, nun hoffe ich, das ich nicht mit irgendwelchen Voodoo-Kräften gesegnet bin, wenn ich nach sowas für die Dauer eines Nachmittags natürlich ganz und gar nicht hoffe, dass die allerhochwerteste Kundschaft nicht auf irgendeine windige Pseudo-Agentur aus Bangalore reinfällt, also vom Schlage jener, die mit dem Motto "Alle Sprachen, alle Themen, 24/7 und billig" werben. Sonst könnte mein Noch-Ex-Kunde (bei der Inaugenscheinnahme der Übersetzung) vielleicht auch Seh­störungen be­kom­men! Nein, das möchte ich gar nicht.

So, ich wende mich rasch wieder der letzten seriösen Übersetzung des Jahres zu.

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Illustration: historisches Bildwörterbuch

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