Bienvenue! Sie sind auf der Seite einer Dolmetscherin und
Übersetzerin für die französische Sprache gelandet. Hier
schreibe ich über meinen vielseitigen Alltag. Heute werfen wir
einen scharfen Blick auf den Schreibtisch. Und zwar in Fortsetzung
meiner Texte von vorgestern und gestern.
Viele
meiner Kunden sind öffentlich-rechtliche Sender oder deren Töchter,
denn ich habe mich (neben Politik und Wirtschaft) auf Medien und Film
spezialisiert. Das stößt bei vielen Bloglesern auf großes Interesse. Der Begriff "Filmdolmetscher" gehört hier zu den Meistgesuchten. Leider
muss ich alle ernstlich warnen, die in diesem Bereich Berufsabsichten
hegen. Vielleicht liegt es daran, dass wir immer öfter unbewusst mit jenen
in einem Topf geworfen werden, die wir vertonen.
Der Filmsektor aber blutet aus. Das vertiefe ich morgen mit Linktipps. Heute
erstmal ein konkretes Beispiel.
Vor kurzem bat mich ein guter Medienkunde um
eine Kosteneinschätzung. Ich besah mir das Dokument, zählte die Zeichen,
landete bei ca. 1400 Euro, Zeit: Eine Woche. Der Text, sieben Seiten
mit 10-Punkt-Schrift, entsprach mit über 50.000 Anschägen inklusive
Leerzeichen vom Umfang her dem Drittel bis der Hälfte eines
ausgewachsenen Drehbuchs.
Der Kunde schrieb mir daraufhin:
"Leider habe ich ein zweites, günstigeres Angebot erhalten: 700 €"
innerhalb von fünf Tagen. "Können Sie vielleicht noch was am Preis
machen? Sonst muss ich mich wahrscheinlich leider für die günstigere
Variante entscheiden."
Nein, das konnte ich nicht. Meine Antwort kleidete ich in ein Bild: "Ich habe zwei Brillen: Die eine vom Optiker um die
Ecke mit voller Gewährleistung und Gratisreparaturen, die Ersatzbrille
habe ich mir aufschwatzen lassen, ein "günstiger" Anbieter aus dem Netz,
das Rezept ging nach Asien, sie hat nur die Hälfte der Erstbrille
gekostet, aber bereitet mir nach zwei, drei Stunden zuverlässig
Kopfschmerzen. Reklamieren konnte ich sie zwar, aber sie kam nach vier
Wochen unverändert zurück.
Naja, wie der Optiker um die Ecke haben wir höhere Gestehungskosten,
andere Ausbildungsstandards sowie langjährige Erfahrung ..."
So, nun hoffe ich, das ich nicht mit irgendwelchen Voodoo-Kräften gesegnet bin, wenn ich nach sowas für die Dauer eines Nachmittags natürlich ganz und gar nicht hoffe, dass die allerhochwerteste Kundschaft nicht auf irgendeine windige Pseudo-Agentur aus Bangalore reinfällt, also vom Schlage jener, die mit dem Motto "Alle Sprachen, alle Themen, 24/7 und billig" werben. Sonst könnte mein Noch-Ex-Kunde (bei der Inaugenscheinnahme der Übersetzung) vielleicht auch Sehstörungen bekommen! Nein, das möchte ich gar nicht.
So, ich wende mich rasch wieder der letzten seriösen Übersetzung des Jahres zu.
______________________________
Illustration: historisches Bildwörterbuch
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen