Montag, 9. Dezember 2013

Infusion

Hallo auf den Blog­sei­ten einer Französischdolmetscherin und -über­setzer­in, da­ne­ben arbeite ich mit Englisch, allerdings nur als Aus­gangs­sprache. Meine Ar­beits­schwer­punk­te sind Politik, Wirtschaft, Soziales und Kultur. Hier denke ich auch über Unterscheide meiner Länder nach.

Ein gemütlicher Abend bei Freunden in Frankreich stand bevor, mit den Kindern war ich kurz deux baguettes holen, und als ich wiederkomme, zeigt sich meine Rei­­se­­be­glei­tung irritiert. Der aus Deutschland stammende Gast spricht näm­lich nur ein wenig Französisch. Und er war gerade von einem grippalen Infekt ge­ne­sen. Noch etwas ist wichtig als Hintergrundinformation: Die Hausherrin war vor ihrem Studium Krankenschwester.

Auf jeden Fall erwartete uns eine merk­wür­di­ge Stimmung, eine minimale Ver­stim­mung war mit Händen greifbar. Ich hakte nach.
Der deutsche Reisende war durch­ein­ander, denn die Gastgeberin hatte ihm eine "In­fu­sion" angeboten. "Wir sind hier doch nicht im Krankenhaus!", meinte er mit leicht unterdrückter Empörung.
Hier hat die vermeintliche Nähe der fran­zö­sischen und deutschen Sprache uns einen Streich gespielt! Als "falsche Freun­de" (faux amis) werden Begriffe mit hohem Verwandtschaftsgrad bezeichnet, die aber in den jeweiligen Kulturen etwas anderes bedeuten.

Meinem Bekannten war an diesem Abend schlicht und ergreifend ein Kräutertee angeboten worden, weil er doch noch schlapp wirkte und weder Wein noch Wasser trinken mochte. Der Kräutertee heißt l'infusion, das kommt von faire oder laisser infuser, ziehen lassen.

Meine Lieblingskräuterteevarianten, die in Frankreich sehr gut bekannt sind, ha­ben wir dann gleich probiert: eine Tasse réglisse-menthe und eine Tasse ver­veine. Réglisse ist Süßholz, das für die Lakritzherstellung verwendet wird, hier mit Minze gemischt. Verveine wird in Deutschland auch immer öfter angeboten, Verbena-Tee.

Im Krankenhaus aber werden perfusions verabreicht (vollständig: la perfusion in­tra­veineuse).

Der Abend wurde dann doch noch ganz gemütlich, mit Kräutertee und Kräu­ter­schnaps. Aber das ist eine andere Geschichte.

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Foto: C.E.

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