Asap! Asap klingt in seiner Atemlosigkeit nicht zufällig "zack, zack!" recht ähnlich. Auf jeden Fall schwingt bei der Abkürzung von as soon as possible deutlich mehr Eile mit, als wir es von der Langfassung gewöhnt sind. Bedenklich wird die Chose dann richtig mit ihrer verbalen Medikalisierung, wenn also aus asap die Asapitis wird.
Die griechische Endung -itis (ίτις) gab zunächst einen sprachlichen Hinweis auf ein körperliches Leiden, erst etwa im 17. Jahrhundert entstand daraus die Substantivierung, die sich überwiegend auf Entzündungen bezog. Heute wird sie der Einfachheit halber bei den meisten (aber nicht bei allen) Entzündungen verwendet.
Also, lieber Kunde: Danke für die Anfrage. Für wann wäre die Übersetzung fertigzustellen? — Am besten zu gestern, gut, zur Not haben wir noch einige Tage Zeit. Wie, das ist nicht möglich? Aber Sie haben doch Computer!
Übersetzungen entstehen von Hand, sie sind aufwendig, zeitraubend, die Rechner unterstützen uns nur. Die Vielfalt der Sprachen, diverse Ebenen, Dia- und Soziolekte, kulturelle Einflüsse wie Zitate, Stilformen und rhetorische Muster, nicht zu sprechen von (aus Computer- oder Kindersicht) so schweinischen Dingen wie Ironie sorgen dafür, dass unserer Branche die Aufträge noch lange nicht ausgehen werden. Handarbeit braucht Zeit, am besten an normalen Werktagen, unbeeinflusst von familiären Verpflichtungen oder Feiertagen.
Diese Zeilen entstehen eine Woche vor Weihnachten. Die große Pause steht an.
Im Januar geht's mit vereinten Kräften neu los. So staune ich nicht schlecht, als ich mich dieser Tage um einen umfangreichen Kostenvoranschlag kümmern darf. Etwas Arbeit zwischen den Jahren und nach Sylvester, damit hatte ich gerechnet. Anstelle des Drehbuchs landeten 200 eng beschriebene Seiten in meiner Mailbriefbox, Material für eine AV-Produktion, 450.000 Anschläge inklusive Leerzeichen. Das entspricht vier normalen Drehbüchern.
Durchschnittlich kostet die Übersetzung eines nicht so schweren, normal langen Drehbuchs um die 3000 Euro. Ich fing also an zu rechnen. Doch hier prallten drei Dinge aufeinander, wenn nicht vier: Weihnachten und anschließende Urlaubszeit, Masse, Termindruck ... und die Tatsache, dass zu Jahresende die meisten von uns erstmal "durch" sind.
Der Dezember ist nicht nur ein Stressmonat mit seinen sozialen Verpflichtungen und der Vorbereitung der Jahresendruhe im Kreise der Lieben, sondern auch ein Monat, in dem in den meisten Fällen bis zur Monatsmitte erledigt sein muss, was sonst bis zum Monatsende Zeit hat. Kurz: Wer von uns könnte sich einer solchen Arbeit überhaupt annehmen?
Ich rechnete. Wie viel Tage Teamarbeit an den Werktagen im angefragten Zeitraum sind nötig, mit wie vielen Feiertagszuschlägen wäre zu rechnen? Wenn mehrere an ein- und demselben Textwerk arbeiten, tauchen im Kostenvoranschlag zwei weitere Posten auf: Einmal müssen Stile vereinheitlicht werden, zum anderen die Kollegen und Kolleginnen gesucht und die Arbeit aufgeteilt werden. Kurz: Ich kam zu einer Summe X, zu der 150% an Zuschlägen und Entgelten für den Zusatzaufwand hinzukamen.
Flexiblität ist alles, oder? |
Heraus kam eine Summe, die durchaus moderat war. Zwischendurch übersetzte ich für mich etwas zur Probe, um meine Affinität mit dem Text und die Geschwindigkeit zu testen, und ich sandte dem potentiellen Kunden das Ergebnis. Ich stellte mich auf Weihnachten, Wochenenden, Sylvester und Neujahr mit täglich vier Arbeitsstunden ein und risikierte dabei auch noch den Hausfrieden.
Dann kam die Absage. Man habe sich für ein kostengünstigeres Angebot entschieden. Ich muss an einen anderen Großen der audiovisuellen Welt denken, der durch die Umstellung auf die Haushaltsabgabe jetzt ca. eine halbe Milliarde mehr Geld im Säckel hat. Bei einer seiner Töchter gingen neulich Aufträge für 50 % des jahrelang bezahlten, durchschnittlichen Marktpreises über den Tisch. Die in letzter Zeit immer häufiger auftretende Asapitis gepaart mit Preisdumping, den Trend könnt' ich mir sparen. Darauf mit den Laufschuhen eine Runde Dopamin tanken gehen!
Vokabelnotiz: AV — alles mit "audiovisuell" (entsprechend konjugiert)
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Foto: C.E. (Archiv)
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