Hallo! Absichtlich oder zufällig haben Sie die Seiten einer Konferenzdolmetscherin angesteuert. Hier schreibe ich über meinen vielseitigen Alltag. Nachdem ich viele Jahre die beiden Sprachen und Lebenswelten wie getrennte Systeme im Kopf abgespeichert hatte, war intensiver Sprachenvergleich die Voraussetzung fürs Dolmetschen. Mit dem Vergleich der Sprachen geht der Vergleich der Kulturen einher.
Heute ist Siebenschläfertag, das heutige Wetter soll entscheidend für das Wetter der nächsten Wochen sein. Letztes Jahr hat's gestimmt, da sind wir nach dem Siebenschläfertag fast weggeschwommen.
Dieses Jahr kam die große Flut früher. Die Wettervorhersagen des einst nur innerhalb von wenigen Jahren entstandenen "hundertjährigen" Kalenders, darin sind sich alle Kritiker heute einig, sollten allerdings dem zeitlichen Umfeld des betreffenden Tages gelten; damit läge die Wahrscheinlichkeit, dass die Vorhersagen zuträfen, höher.
Der französische Bauernkalender betrachtet hingegen den 8. Juni. Wenn es
an diesem Tag regnet, soll es maximal bis zum 18. Juli weiterregnen:
S'il pleut à la St Médart, il pleuvra jusqu'à 40 jours plus tard, à moins que Barnabé ne lui coupe l'herbe sous le pied.
(Wenn es am Tag des heiligen Medardus regnet, regnet es auch noch bis
zu vierzig Tage später, es sei denn, Barnabas kommt dem zuvor.)
Hm, wie war nochmal das Wetter am 8. Juni? Wie war's im Nachbarland? In Frankreich sind Wettervorhersagen zumeist an die Tage der Heiligen
gebunden, hier zeigt sich die Prägung durch die katholische Kirche.
(Schon in Zeiten des Schulaustauschs überraschend: In vielen Familien
wurde nicht der Geburtstag, sondern der Namenstag gefeiert, wofür wir unsere Altersgenossen ein wenig bedauerten, weil uns das Datum der Geburt als einziges feierwürdiges Moment erschien.)
Die französischen Fernsehnachrichten kommentierten die Flut, die auch viele französische Dörfer erreichte, unlängst mit Sätzen wie "die Wissenschaftler wissen noch nicht, worauf das Phänomen der Überschwemmungen zurückzuführen ist." In Printmedien New Yorks lassen überflogene Halbsätze keinen Zweifel mehr daran, dass der Gedanke, dass die globale Klimaerwärmung, das Abschmelzen der Pole zu mehr Wasser in der Luft und damit zu stärkeren Niederschlagsmassen in Verbindung mit unregelmäßigen Phasen der Luftmassen (eingefrorener Jetstream) geführt haben, dort inzwischen weit verbreitet ist. Diese Aspekte haben uns in Mitteleuropa drei "Jahrhundertwetterlagen" in nicht mal einem Dutzend Jahren gebracht hat, zwei Fluten und die Hitzewelle von 2003.
In früheren Jahrtausenden wäre das genug Anschauungsmaterial gewesen, um daraus eine "Bauernregel" oder eine gereimte Wettervorhersage unter Heiligenanrufung zu machen. Leider verschmutzen wir Menschen die Welt jahrein, jahraus. Das an einem Datum festzumachen, dürfte schwierig werden.
Vokabelnotiz: Der weltbeste Patensohn hat einst "Wetterhervorsage" gesagt. Sehr sprechend!
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Foto: C.E.
2 Kommentare:
"Sechs Wochen dauert ohne Frag' das Wetter am Medardustag."
... das ist auch der Bauernkalender!
Grüße an Dich und Euch,
Bine
Merci vielmals!
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