Donnerstag, 27. Juni 2013

Alle Wetter!

Hallo! Ab­sicht­lich oder zu­fäl­lig ha­ben Sie die Sei­ten einer Kon­fe­renz­dol­metscherin an­ge­steu­ert. Hier schreibe ich über meinen vielseitigen Alltag. Nachdem ich viele Jahre die beiden Sprachen und Lebenswelten wie getrennte Systeme im Kopf ab­ge­speichert hatte, war intensiver Sprachenvergleich die Voraussetzung fürs Dolmetschen. Mit dem Vergleich der Sprachen geht der Vergleich der Kulturen einher.

Heute ist Siebenschläfertag, das heutige Wetter soll entscheidend für das Wetter der nächsten Wochen sein. Letztes Jahr hat's gestimmt, da sind wir nach dem Siebenschläfertag fast weggeschwommen.

Hagel und Regen mit Blick auf die Straße, an dessen Rand ein einsames Fahrrad parkt.
Dieses Jahr kam die große Flut früher. Die Wet­­ter­­vor­her­sa­gen des einst nur innerhalb von we­ni­gen Jahren ent­stan­den­en "hundertjährigen" Ka­len­ders, darin sind sich alle Kri­tiker heute einig, sollten allerdings dem zeitlichen Umfeld des betreffenden Tages gelten; damit läge die Wahr­schein­lich­keit, dass die Vorhersagen zuträfen, höher.

Der französische Bauernkalender betrachtet hingegen den 8. Juni. Wenn es an diesem Tag regnet, soll es maximal bis zum 18. Juli weiterregnen: S'il pleut à la St Médart, il pleuvra jusqu'à 40 jours plus tard, à moins que Barnabé ne lui coupe l'herbe sous le pied. (Wenn es am Tag des heiligen Medardus regnet, regnet es auch noch bis zu vierzig Tage später, es sei denn, Barnabas kommt dem zuvor.)

Hm, wie war nochmal das Wetter am 8. Juni? Wie war's im Nachbarland? In Frank­reich sind Wettervorhersagen zumeist an die Tage der Heiligen gebunden, hier zeigt sich die Prägung durch die katholische Kirche. (Schon in Zeiten des Schul­austauschs überraschend: In vielen Familien wurde nicht der Geburtstag, sondern der Namenstag gefeiert, wofür wir unsere Altersgenossen ein wenig bedauerten, weil uns das Datum der Geburt als einziges feierwürdiges Moment erschien.)

Die französischen Fernsehnachrichten kommentierten die Flut, die auch viele fran­zö­sische Dörfer erreichte, unlängst mit Sätzen wie "die Wissenschaftler wissen noch nicht, worauf das Phänomen der Überschwemmungen zurückzuführen ist." In Printmedien New Yorks lassen überflogene Halbsätze keinen Zweifel mehr daran, dass der Gedanke, dass die globale Klimaerwärmung, das Abschmelzen der Pole zu mehr Wasser in der Luft und damit zu stärkeren Niederschlagsmassen in Ver­bin­dung mit unregelmäßigen Phasen der Luftmassen (eingefrorener Jetstream) ge­führt haben, dort inzwischen weit verbreitet ist. Diese Aspekte haben uns in Mitteleuropa drei "Jahr­hun­dert­wet­ter­la­gen" in nicht mal einem Dutzend Jahren gebracht hat, zwei Fluten und die Hitzewelle von 2003.

In früheren Jahrtausenden wäre das genug Anschauungsmaterial gewesen, um daraus eine "Bauernregel" oder eine gereimte Wettervorhersage unter Hei­li­gen­an­ru­fung zu machen. Leider verschmutzen wir Menschen die Welt jahrein, jahraus. Das an einem Datum festzumachen, dürfte schwierig werden.


Vokabelnotiz: Der weltbeste Patensohn hat einst "Wetterhervorsage" gesagt. Sehr sprechend!
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Foto: C.E.

2 Kommentare:

Vega hat gesagt…

"Sechs Wochen dauert ohne Frag' das Wetter am Medardustag."

... das ist auch der Bauernkalender!

Grüße an Dich und Euch,
Bine

caro_berlin hat gesagt…

Merci vielmals!