Hallo! Sie lesen in den Seiten eines virtuellen Arbeitstagebuchs aus der Welt der Sprachen. Ich bin Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache und aus dem Englischen. Hier denke ich über unseren Berufsalltag nach ...
Dürfen Sprachmittler korrigieren? Dürfen wir besser sein als das Original?
Wenn ich Drehbücher übersetze, geschieht dies meistens in einem sehr frühen Stadium. Die Produzenten heuern mich an, weil ich viel Erfahrung habe und Stile wiedergeben und halten kann. Ziel ist ein Buch, das sich so liest, als wäre es auf Deutsch geschrieben worden. Da verbessere ich manchmal im Sinne des Autors, den ich ja lesend "begriffen" habe. Denn häufig geschieht es, dass beim Ändern von Stellen Wörter übersehen werden, die sich zum Beispiel im Original dann unangenehm wiederholen (und es ist nicht als Stilmittel gemeint), um nur ein Moment zu erwähnen.
Solche "Fehler", die mehr sprachliche Ungeschicklichkeiten sind, wiederhole ich nicht. Ich schreibe so, wie ich als Autorin auch geschrieben hätte. Das führt am Ende dazu, dass nach Aussagen mancher, die beide Sprachen beherrschen, sich Übersetzungen gelegentlich besser lesen als die Originale.
Neulich war François Hollande in China. Er gab in Tokio eine Pressekonferenz, und es unterlief ihm eine sprachliche Ungeschicklichkeit. Er erwähnte die Geiselnahme in einer Gasförderanlage
in Algerien, die im Januar zehn Japaner das Leben gekostet hatte. Er unterstrich, dass er damals das "Mitgefühl des französischen Volkes an das
chinesische Volk" übermittelt habe.
Nun sprach Hollande natürlich nicht Chinesisch, sondern wurde verdolmetscht. Die Dolmetscherin wusste, was gemeint war, und machte "das japanische Volk" daraus. Der Sender ntv berichtete allerdings, dass mindestens einem japanischen Journalisten, der des Französischen mächtig ist, der Fehler aufgefallen war. Wie es weiterging, ist nicht überliefert.
Für uns ist das Ausbügeln kleiner Ungeschicklichkeiten Alltag. Vor einigen Tagen saß ich bei einer Veranstaltung neben einer Gesandten einer afrikanischen Botschaft auf dem Podium, da verhaspelte sich der Moderator und sagte wiederholt: Madame Soundso, Attachée der französischen Botschaft. Für die Ohren der Betreffenden und einige ausschließlich Französischsprachige im Raum, denen ich per Kopfhörer zuflüsterte, machte ich flugs die richtige Botschaft draus, nur murrten die deutschsprachigen Zuhörer, denen der Fehler aufgefallen war.
Das Räuspern im Raum war nicht zu überhören, vor allem nicht beim 2. Mal. So musste ich dann am Ende doch in einem möglichst unauffälligen Nebensatzschlenker den kleinen Irrtum erwähnen, der dem Moderator unterlaufen war. Madame nahm es zum Glück gelassen.
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Foto: C.E. (von einer anderen Veranstaltung)
1 Kommentar:
Vielen Dank an einen Leser/eine Leserin für das Finden und Mitteilen eines Fehlers in diesem Text. Ist korrigiert!
Gruß, C
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