Notiz für die gestrige NRW-Wahl, Urheber: ??? |
Dabei ist das Problem uralt. Nur ein Zitat, hier eine Klage Tucholskys aus dem Jahr 1931: Theobald Tiger spricht; Zitat über jene, die sich fremde Texte "aneignen": "Sie stehlen eine Ware. Denn jedes literarische Produkt ist, neben allem andern, eine Ware wie ein Pfund Butter; das trifft auf Operetten zu wie auf die Verse Stefan Georges, und dabei ist auch gar nichts Herabwürdigendes. Waren aber sollte man nicht stehlen."
Mein naiver Kommentar bei "Anonymous" auf Facebook. (Korrektur: "Figuren" entwickelt statt Personen. Interferenz!) |
Hier müssten alle aufmerken, denn ohne Autoren/Urheber kein Werk, und doch befinden die Kreativen sich derzeit so, wie das Urhebergesetz aktuell gestrickt ist, in einer sehr schwachen Position: Sie leiden unter total buy out-Verträgen bei Sendern und Pressehäusern ... "inklusive aller noch zu erfindenden Medien"; sie leiden unter sinkenden (Ko-)Finanzierungen von (zunehmend formatierten) "Auftragsproduktionen" für die öffentlich-rechtlichen TV-Sender, die dann wochenlang "Nichtfiktionales" in kostenlosen Mediatheken "bereitstellen", so dass der verschuldete Dokumentarist (zum Beispiel) sein Herzensprojekt nicht über DVD-Verkäufe refinanzieren kann (oder aber im Ausland infolge von engen Formatvorgaben und von geforderter regionaler Relevanz); sie leiden auch unter Neuübersetzungen von ausländischen Bestsellern in Fällen, wo der erste, preisbepackte Übersetzer durch einen alten Verlagsvertrag eigentlich in nennenswerter Höhe am Erfolg hätte beteiligt werden müssen ...
Drei Beispiele, die längst keine Ausnahmen mehr sind.
Die andere Seite des Urheberrechts, und die meinten die Piraten in erster Linie (in zweiter Linie auch Film- und Buchinhalte ...), ist, dass das Urheberrecht, wie es derzeit mitunter gehandhabt wird, Zitate und intellektuellen Austausch erschwert bis verhindert. Eine mir nicht bekannte Person könnte mir jetzt für die Reproduktion seines Wahlhinweises links oben eine Rechnung oder über Anwalt eine Unterlassungsaufforderung ins Haus schicken; Facebook könnte mich möglicherweise unter Verweis auf Urheberrecht für die Gestaltung seiner Seiten belangen, siehe zweites Bildzitat, der Typograf für die Erfindung der Schrift, eine Seminarteilnehmerin aus Strasbourg wegen der Fotorechte.
Der oben erwähnten Dokumentarfilmer darf heute Gedrehtes nicht verwenden, wenn z.B. Musik im Radio läuft, Kunstwerke ins Bild geraten, die aber vor Ort zu sehen sind (egal ob als Poster, auf einem Werbeplakat oder im Original in der Vorstandsetage einer Bank); bei der logischen Ausweitung des Urheberrechtgedankens auf Mode könnte sogar erkennbare Markenkleidung tabu sein, obwohl diese (wie die Designermöbel im Vorstandsbüro ...) manchen Portraitierten mit wenig Worten charakterisieren und damit Alltagswirklichkeit abgebildet werden würde. Nackte Protagonisten in kahlen Räumen? Beim Weiterdenken wird die Chose richtig absurd.
Ein zentrales Problem spricht Petra von Cronenburg an, mit dem möchte ich heute schließen. Sie fragt in ihrem langen Beitrag: "Wo sind die Aufschreie der Urheber gegen unsittliche Verträge? (...) Das Urheberrecht sichert den meisten von uns längst nicht mehr die Existenz."
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Illustrationen: ??? und Facebook
5 Kommentare:
Sehr guter Beitrag, liebe Caro, und dann wird Dich auch der dieser hier interessieren, vor der Zuspitzung in der FAZ veröffentlicht: Denn sie wissen nicht, wie Werke entstehen.
Zitat: "Das Urheberrecht sichert nicht nur Organisationen die Möglichkeit, sich zu refinanzieren. Es ermöglicht auch die Spezialisierung und Professionalisierung der Produzenten. Insofern geht es nicht um Künstler und Autoren überhaupt, sondern um hauptberuflich hergestellte Werke, Texte, Objekte."
Und Schirrmacher schrieb am WE, also nach der Eskalation: "Denn ob Piraten, Hacker, Autoren oder Verlage: Trotz aller ostentativ zur Schau gestellten Selbstgewissheit - meistens bei den Trittbrettfahren auf beiden Seiten -, eine Antwort zur Lösung gibt es im Augenblick nicht. Die spezifischen Bedingungen von Kunstproduktion lassen sich nicht mit denen von „Gegenständen“ vergleichen. (...) Kein Urheber, kein Künstler, kein Schriftsteller kann wollen, dass seine Leser, Zuhörer oder Zuschauer überwacht werden. Umgekehrt wären manche Proteste glaubwürdiger, wenn sie genauso deutlich gegen die Screening-Methoden von Apple und Google sich erheben würden. In seinem wunderbaren Buch „Turing’s Cathedral" schreibt George Dyson, gewiss kein Internetskeptiker, sondern einer seiner geistigen Väter: „Facebook sagt mir, wer ich bin; Amazon sagt mir, was ich will; Google, sagt mir, was ich denke"."
In voller Länge hier: Schluss mit dem Hass
Gruß, J.
Danke für die Leseinweise und das feed back! Rückgruß, Caroline
Schau mal da, es mobilisieren sich jetzt auch die Nutzer/Leser/Konsumenten oder eben ... (wir sind) die BÜRGER
Herzliche Grüße,
Bine
Mal gaaaanz naiv eingeworfen: Die Urheberrechtsinfragesteller sollten die Sache mal weiterdenken. Wenn kreative Texte, Filme, Musiken usw. frei sind, sie aber, um zu "reisen", eine Übertragung in eine andere Sprache brauchen, werden dann jene, die diese zweite Arbeit machen, auch nicht entlohnt?
Ich meine, fremdsprachige Fassungen fallen doch auch unters Urheberrecht. Und wenn keiner mehr fürs Übertragen oder Kreieren bezahlt wird, müssen sich alle andersgeartete Brotjobs suchen, kreatives Schaffen wird zum Hobby ... und es gibt morgen (fast) nichts Neues mehr, das "geshared" werden kann.
Komisch, dass die Piraten nicht im gleichen Atemzug "bedingungsloses Grundeinkommen" schreien. Und selbst dann ... Wir wollen auch Erfolge haben dürfen und nicht mittags einen Schlag Eintopf aus der Gulaschkanone.
Nein, das Problem der ganzen Diskussion liegt doch weitaus tiefer. Wir müssten dringend diskutieren und einen gesellschaftlichen Konsens dazu finden, dass kreative Arbeit auch Arbeit ist. Also Autoren, Komponisten, Filmer, Cutter, Maler ein Handwerk ausüben.
Dabei stecken wir geistig in Deutschland noch zu sehr in einer diffusen Wahrnehmung dessen fest, was geistige, kreative Arbeiter leisten. Also das Zille-Klischee mit dem armen, genialen Poet in seiner Dachstube als ein Bestandteil plus der urdeutsche Genie-Mythos ... abgemischt mit einer tüchtigen Portion "Das-soll-Kunst-sein-kann-doch-jeder", als Deko etwas vom unseligen "Geiz ist geil" - dieses "Rezept" entwertet die Arbeit, die mit der Schaffung künstlerischer Werke verbunden ist.
Just my two cents,
Sophie
Hi Caro,
da warst Du echt unglaublich schnell mit Deinem Französischlernkrimi!
"Erwachsene" Literatur braucht natürlich länger, das wissen wir alle. Hier hat Kollegin Isabel Bogdan mal durchgerechnet, wie sich das (nicht) rechnet mit den Einkommen der Autoren und Übersetzer: Über Geld reden.
Und auch hier steht im P.S. ein sehr wichtiger Gedanke, nämlich dass dieses "Über Geld spricht man nicht” zur Entsolidarisierung beiträgt: Wer nicht über Geld spricht, der baut einen Popanz auf, eine Wertigkeit, nach der Geld mehr ist als eine Entlohnung für geleistete Arbeit. Ist es aber nicht. Wir sollten alle mehr über Geld sprechen.
Die Frau spricht mir aus der Seele!
Schöne Restwoche mit Deinem/Eurem Mini!
Gruß, Bine
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