Samstag, 5. Mai 2012

DEnglish

Anglizsmen, wohin das Auge schaut. Wenn eine meiner Großmütter, die leider beide schon in den Achtziger Jahren gestorben sind, 2012 am Berliner Hauptbahnhof ankäme, würde sie sich zurechtfinden?

große Finger, kleine Flächen
Nun kaufen die wenigsten bei Ankunft gleich den nächsten Fahrschein, aber dieser Satz gilt für beide: Oma war vorausschauend. Hätten sie aber beim Fahrkartenautomat von heute den Durchblick gehabt? Diese Automaten sind viel komplizierter als die Geräte von einst. Hätte sie "Bitte berühren Sie den Screen" verstanden, was hier noch vor wenigen Jahren stand? Und wie genau muss der Bildschirm berührt werden?

Einschub: Als ich vor einigen Wochen in München eine Karte ziehen will, steht ein älterer Herr vor mir und weiß nicht recht, wie er "drücken" soll. Er versucht es frontal mit dem Daumen, dann mit dem Fingernagel, weil er recht breite Finger hat. Das Hauptproblem ist aber das leichte Zittern seiner Hände. Ich helfe ihm und ernte ein: "Dankeschön! Das ist gar nicht so einfach, wenn man's noch nie gemacht hat!" Das Hauptproblem ist aber außerhalb von Gebäuden allerdings der geringe Kontrast der Monitore, auf denen bei schlechtem Lichteinfall — nicht auszudenken, Sonne! — nicht mehr viel zu sehen ist.

Zurück zu meiner Ahnfrau. Vielleicht will meine Oma sich auch nur am Schalter nach etwas erkundigen?

Aus dem Beitrag der Deutschen Welle (siehe unten)
Das könnte sie neuerdings wieder an der "Information" tun. Einige Jahre lang hieß die Stelle "Service point", aber dort wollten wohl zu viele Leute dort ihre Koffer abgeben. Viele ausländische Reisende, wie peinlich, kamen nicht auf die Idee, hier Informationen nachzufragen. Die Bahn hatte übersehen, dass "Information" ein ziemlich internationales Wort ist).

Anfang März 2012 irgendwo in Westfalen
Nun, die alte Dame schaut sich um, noch immer kein Schalter, denn praktisch wie sie nunmal ist, will sie gleich den Sitzplatz für die Rückreise reservieren. Die Läden rufen ihr zu: “come in and find out”, was sie vielleicht interpretiere würde als “komme herein und finde wieder hinaus“. Ich sehe sie kopfschüttelnd weitersuchen. Die eine Oma, die recht gut Englisch sprach, würde sich bei einem "handy shop" vielleicht erkundigen, was denn wohl hier verkauft wird, ob da besonders handliche Dinge über den Tresen gehen oder man jemanden ordern kann, der einem zur Hand geht, Koffertragen auf den überlangen Umsteigewegen zum Beispiel.

Sie würden sich fragen, ob sie nicht in einem Einkaufszentrum mit Gleisanschluss gelandet ist, aber das frage ich mich auch in jüngeren Jahren ...

Jetzt trete also ich auf und hole sie ab, die liebe Oma. Ach, und Dein Ticket und die Reservierung kaufen wir bequem zu Hause, im Internet. Komm, lass' uns Berlin anschauen.
Und ich freue mich mit ihr darüber, dass in Berlin keine Mauer mehr steht. Diese Art der Veränderung wiegt so manche Verschlechterung inklusiver hässlicher Anglizismen auf!

Jetzt folgt noch ein TV-Beitrag der deutschen Welle zur Übermacht des Englischen in der deutschen Sprache. Er trägt den Titel: "Kampf den Anglizismen — Weshalb Industrie, Kultur und Politik die deutsche Sprache retten wollen".

Schönes week end, allerseits!

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Bilder: C.E. und Deutsche Welle

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