Dienstag, 20. März 2012

Tischgespräche

Willkommen beim einzigen Blog Deutschlands, das in der Dolmetscherkabine entsteht. Hier denke ich (an manchen Tagen auch vom Übersetzerschreibtisch aus) über unseren Alltag als Sprachmittler nach. Dabei habe ich mich auf Politik, Wirtschaft, Film und Medien spezialisiert. Gerne antworte ich auf Leserfragen.

Zuschriften erhalte ich bis heute auf ein Sonntagsfoto vom letzten September und meine ergänzenden Worte, es ging damals um das Dolmetschen von Arbeitsessen. Mich wundert jetzt ein wenig, dass es Verwunderung auszulösen scheint, dass wir Nahrung zu uns nehmen, zum Beispiel bei Delegationsreisen. Wenn wir über Tage mit unseren Dolmetschkunden zusammen sind, wann bitteschön sollen wir denn sonst essen?

Natürlich dolmetschen wir nicht mit vollem Mund! In der Regel sagt einer der Verantwortlichen irgendwann mal: "So, jetzt wollen wir aber mal ruhig sein, damit auch die Dolmetscherin essen kann." (Bei vielen Gesprächen sind wir auch zu zweit, bei sehr langen Kabinentagen zu dritt, und essen dann abwechselnd.)

Und wir haben einen eigenen Platz, den manchmal ein eigenes Namensschild als solchen ausweist. Das ist schon allein deshalb erwähnenswert, weil wir bei normalen Hintergrundgesprächen selbst im Hintergrund bleiben, ein wenig versetzt hinter der wichtigsten Person, Stuhl hinter Sessel, zum besseren Flüstern.

Dass ich bei Dolmetscheinsätzen mit Verpflegung oft abends nicht mehr weiß, was ich gegessen habe, liegt auch daran, dass ich seit vielen Jahren fischessende Vegetarierin bin. An solchen Tagen, wo alle ein- und dasselbe serviert bekommen und der Terminkalender drängt, esse ich sogar Fleischsorten, für die ich gar keine Begriffe habe. Ich prüfe mit ersten Bissen, ob mein Körper die Nahrung toleriert, dann wird gegessen, basta. Alles andere vergesse ich, weil ich nur der Nahrungsaufnahme wegen esse und alle Aufmerksamkeit vom Dolmetschen absorbiert wird. Ansonsten ist es natürlich traurig, die Delikatessen nicht zu würdigen und auch die ausgesuchten Weine nicht verkosten zu dürfen, die da oft aufgefahren werden, aber Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps.

Bei der Arbeit kam ich auch in den Genuss von Delikatessen, die ich ohne den Kontext nie probiert hätte. Bei einem Arte-Dreh mit Austernfischern in Arcachon gingen bis auf den Regisseur und mich alle stiften, als uns am Ende ein Gastmahl bereitet wurde; wir mussten dann zu zweit die Ehre hochhalten, die uns zuteil wurde, und durften uns nicht als schlechte Gäste blamieren. Oder aber der Dreh im Pariser Chinatown. Da habe ich dann lieber nicht gefragt, was uns da serviert wurde. Schmeckte fast wie Hase, nur süßlicher ...

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Foto: C.E.

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