Montag, 31. März 2008

Wie geschnitten Brot

Gerade lektoriere ich ein Drehbuch, das in Frankreich spielt. Ebenso spielt jene, leicht abgewandelte Szene, in Frankreich - bzw. im Elsass.

" YVONNE hat unter den zwei großen Ulmen des Hofs den Tisch gedeckt. Alles ist bereit, und am Tisch sitzen bereits JEAN und PETER. Sie unterhalten sich mit YVONNE, die grade Brot aufschneidet. "
Dabei fällt mir ein, dass zu meiner Schüler- und Studentenzeit (80er/90er Jahre) in Frankreich das Brot - in diesem Fall die baguette à l'ancienne, bien cuite - nicht geschnitten, sondern gebrochen wurde. Das war in Paris, es galt sogar in den großbürgerlichen, katholischen Kreisen, die mir das beibrachten, als unfein bis anstößig, mit dem Brotmesser bei Tisch zu hantieren.

Ich habe unter Sprachkollegen gefragt: Wie kennt ihr das? Gibt es regionale oder soziale Unterschiede?

Darauf schreibt einer:
"Brechen, brechen und nochmals brechen. Nach Sättigung die Krümel zu kleinen Kügelchen formen und (falls vorhanden) so tun, als wolle man die hübschen Damen an den Nebentischen damit "abschießen" (= ködern)... So mehrfach erlebt!!!"
Ein anderer:
"Meine Erfahrungen mit Brot in Frankreich, fast ausschließlich in Kreisen des mittleren Bürgertums: das Brot wird nicht am Esstisch selbst, sondern woanders geschnitten, und zwar auf einem ramasse-miettes. Wenn man im Freien isst, wird es eher gebrochen. Vielleicht, weil man den ramasse-miettes nicht nach draußen schleppen will."
Etiennette schrieb:
"Zum Frühstück wird das Baguette quer in Stücke und diese Stücke wieder längs in Hälften geschnitten."
Richtig, es gibt offenbar einen Unterschied zwischen Brotkonsum in der Küche und in Gesellschaft, an der festlich gedeckten Tafel.

Ein französischer Kollege, der in Deutschland lebt, lieferte eine Erklärung:
"Nein, ich glaube nicht, dass es besonders grausam wäre, Brot mit dem Messer zu schneiden.

Aber "rompre le pain" - das Brot brechen - gilt als Zeichen guter Erziehung, selbst der Rebell Jesus brach das Brot und bei jeder Messe wird den Gläubigen gesagt: "Er brach das Brot, gab davon seinen Jüngern und sprach ..."

Das ist leicht mit Baguette und Hostien. Aß Jesus davon schon - oder musste er sich mit ungesäuerten Matzen begnügen? Hat jemand schon mal versucht, pain Poilâne zu brechen? Viel Spaß dabei!"
Nun werde ich der Drehbuchautorin einen Hinweis geben und die Passage mit "Yvonne legt das baguette auf den Tisch" oder etwas in der Art übersetzen. Soll doch die Schauspielerin selbst entscheiden - oder der Zuschauer in seinem Kopf.

Und ich werde nicht weiter überlegen, warum sich auf Deutsch etwas besonders gut verkauft - "wie geschnitten Brot" - ... Brot, das offenbar in Frankreich in dieser Form ein Ladenhüter wäre: Baguettebrot wird sehr schnell trocken, daher ist es zum sofortigen Verzehr vorgesehen - und übrigbleibende Krume (la mie) wird trotz "man-spielt-nicht-mit-dem-Essen!" sogar in besseren Kreisen manchmal zur Knetmasse ...
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Fotos: Diverse Quellen, u.a. Pain Poilâne. Und hier rechts oben war ein Messer am Werk. Igitt!

Dienstag, 25. März 2008

Sekundenschlaf und Visualisierungstechnik

... eine Urlaubspostkarte:

Sekundenschlaf am Lenkrad kann tödlich sein. In der Dolmetscherkabine ist er ein Segen, vor der Veranstaltung, in Pausen, danach (um wieder fit für den Rückweg zu sein) - und wenn ich meiner 'Kopilotin' blind vertrauen kann, dann sogar paralallel zu ihrem Dolmetscheinsatz.

In den Sekundenschlaf komme ich durch dreierlei: Ich denke mir Arme, Schultern und Nackenmuskulatur schwer wie im Autogenen Training. Ich atme bewusst tief aus und ein, nehme aus der weichen Luft Energie auf - und ich stoße die rot flirrenden Stressmoleküle bewusst aus, die sich auf der Reise der Luft durch meinen Körper an diese geheftet haben.
Kurz: Autogenes Training, Atemtechnik und Visualisierung.

Visualisierung verwende ich auch szenisch. Ich trete dann in meinen Ruheraum ein: Ich habe mein selbst erfundenes geistiges Umfeld, ein Gedankenparadies, das Ruhe ausstrahlt, das mich aufnimmt, sobald ich es "aufrufe". Es ist in seinen Grundzügen immer dasselbe. Hier ist mir alles vertraut, in angenehme Farben getaucht, ich habe den Raum sorgsam ausgestattet, es gibt auch Klänge, die ich liebe, Wasserrauschen oder Chromatisches von J.S. Bach. Es gibt verschiedene Sinneseindrücke, die ich programmiert habe und immer dann aufrufe, wenn mir danach ist - und ich in die entsprechende 'Raumecke' gehe. Der Raum ist offen, doch nicht ungeschützt und bietet die verschiedensten Umfelder. Hier baue ich auch ganz reelle Orte ein wie die Wasserwand aus einem Pariser Park.

Noch einen Aspekt der Visualisierung nutze ich, wenn ich vorab weiß, dass mich eine Situation stressen wird - zum Beispiel die Arbeit in der Kabine im Konferenzzentrum XY. Sie ist schlecht belüftet, die Technik klapprig, es gibt kein Tageslicht und beim letzten Mal habe ich mich durch diese Gegebenheiten belastet gefühlt. Da ich den Ort bereits kenne, kann ich ihn mir in der Vorbereitungszeit immer wieder mal vor das innere Auge rufen - und meine rituellen Handlungen vor Arbeitsbeginn dort im Geiste durchführen. Es tritt eine gewisse Gewöhnung ein, die am Tag X den Stress deutlich mindert, wenn nicht gar verschwinden lässt.

Sonntag, 23. März 2008

Ost-erei

Zwei nette Ostereier fand ich heute, indes: sie hat nicht der Osterhasen gebracht. Ja, ich glaube daran, dass Eier von Hühnern gelegt werden. Und was hat mein Weblog mit Katzen zu tun? Ist es überhaupt einer, da er bislang ohne Katze auskam? Hier ein Auschnitt aus dem Duden:

Und was ist am Computer überhaupt kätzisch, außer, dass sein Lüfter so leise wie eine kleines Katerchen schnurrt? Und gibt es auch die West-erei? Nein, Ostern fiel heuer nicht auf den 1. April, das ist erst 2018 und 2029 wieder der Fall.


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Aufgabe: Schreiben Sie einen Weblogeintrag mit den Worten Katze, Huhn, Hase, Ost, West, indes, heuer, schnurren, legen, tun, ja, nein, 1. April und Ostern - und senden Sie mir den Link.

Donnerstag, 20. März 2008

Wie lange braucht der Hase

- nicht etwa als saisonal beschäftigter Frühjahrsbote, sondern zwischen Abtauen und "habe servierfertig" in Form eines "civet de lièvre"? Wir befinden uns im Elsass auf einem Weingut, das Frühjahr zeigt seine Vorboten und die Großeltern kommen zu Besuch. Es gibt Familienkrach, die Küche liegt verwaist da - und wer kocht jetzt das Ragout vom Hasen? Vor allem: wie lange dauert es? Ist es vorstellbar, dass die Winzeroma zur Beschleunigung des Procedere das Tier in der Mikrowelle auftaut? Muss Meister Langohr nicht zuvor stundenlang marinieren?

Diese Fragen sind der Hintergrund zu folgender Episode: Wir kommen aus der Kantine, das Handy klingelt, obwohl noch nichtmal drei Uhr (das Ende unserer französischen Mittagspause). "Sabine am Apparat!", die Produzentin einer bekannten deutschen Filmproduktion ist dran und lacht: "Schon wieder dieser Hase! Wo kommt der denn plötzlich wieder her? So oft haben wir über den schon diskutiert ...!"

Es muss wohl an der Jahreszeit liegen. Im Team übersetzen wir die Drehfassung eines Buches, das ab Mitte April im Elsass als deutsch-französische Koproduktion verfilmt werden soll. Die Jahreszeit steht dann optisch auf Ostern, auf der Christenheit höchstes Fest gibt es in der Kinoerzählung keinerlei Anspielung.

In der knappen Filmzeit zwischen (gefilmtem) Spaziergang und Tischgespräch soll aber ein Hasenragout garen - die Diskrepanz zwischen erzählter Zeit und Erzählzeit fiel uns Übersetzerinnen schon bei der ersten Fassung des Drehbuchs auf. Wir monierten, schlugen Änderungen vor, änderten. Inzwischen sind wir bei Buchfassung Nummer vier - und der Hase ist wieder da, ick bün all hier, als wär's der Igel.

Wir strichen die Stelle wieder an und fragten nach dem Rezept. Denn in diesem kurzen Moment bekommt wohl auch Bocuse sein Hasenpfeffer in Rotwein nicht fertig, im Rezept - selon Bocuse - steht was von einer Stunde zwanzig Minuten.

Und mit dieser Episode verabschiede ich mich in den Urlaub.
Frohe Ostern!

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Achtung, Sprachwirrwar!:
le lièvre - der Hase || le lapin - das Kaninchen
Photo: LACATH
Merci à Norbert !

Mittwoch, 19. März 2008

Ins Off gesprochen

Ob geplant oder zufällig: Sie sind mit­ten in ein Ar­beits­ta­ge­buch hinein­ge­ra­ten, in dem sich al­les um Spra­che, Dol­met­schen, Über­setzen und Kult­uren dreht. Als frei­be­ruf­li­che Sprach­mitt­lerin ar­bei­te ich in Pa­ris, Berlin, Toulouse, München und dort, wo man mich braucht.

Einst, es ist schon sehr lange her, deshalb darf ich wohl darüber schreiben, denn etliche der hier Handelnden weilen nicht mehr unter uns, einst hatte ich mal eine echte Ber­ühmt­heit zu dolmetschen. Ich war vor Ort, sah den Star — und doch kam alles anders. Weil nichts Schockierendes passiert ist an diesem Tage, kann ich's hier ebenso 'ins Off sprechen'.

Der ausländische Gast — es ist unwichtig, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt, daher bleibe ich jetzt bei "der Star" — feierte einen ziemlich runden Ge­burts­tag. Mit öffentlichen Geldern war ein Empfang finanziert worden, es gab Champagner und Häppchen und Blumen und Buffet. Es gab eine Dolmetscherin, mich, und es gab das Protokoll.

Mit dem wurde schon am Vorabend alles genau besprochen: Wer kommt wann, redet wie lange, wieviele Mikrophone werden benötigt, was wird gedolmetscht usw. Meine Sorge galt der Überfülle der Redner und der quantitativen Erwähnung des runden Ehrentages. Ich gab zu bedenken, dass derlei im Kulturkreis des Gastes eher nicht so üblich ist.

Am Tag der Veranstaltung, genauer: eine Stunde zuvor, redete das Protokoll wieder mit mir, insgesamt drei Menschen. Ich kam auf die Sache mit dem runden Ehrentag zurück, man sagte mir zu, voraussichtlich den Anlass der kleinen Fei­er­stunde nicht weiter erwähnen zu wollen. Wir waren schon am Ort künftigen Geschehens und standen nach getaner Beredung wie einbestellt und nicht abgeholt rum, zupfelten uns die Garderobe zurecht, zogen Lippenstift nach, ar­ran­gier­ten noch ein paar Blumen neu. Es waren diverse Honoratioren an­ge­kün­digt und auch Regierende.

Dann kam der Tross herein, von Blitzlichtgewitter angekündigt und begleitet, der Star in seiner Mitten. Es war Winter. Ich wurde dem nicht wirklich gutgelaunten Star kurz vorgestellt. Er nahm keine Notiz von mir, warf mir seinen Mantel in die zum Gruß ausgestreckte Hand.

Auf der Bühne standen zwei Mikrophone mit Ständer. Die Assistentin des Stars peilte die Lage, verstand — und rückte eines in den hinteren, seitlichen Bereich. Jetzt konnte der Star sprechen. Tat es ausgiebig, schillerte vor Ber­ühmt­heit, strahlte in die Runde. Sprach erst die zu seiner linken an, dann die in der Mitte, dann die rechts Stehenden.

Ich wartete am beiseite gestellten Mikrophon, mit Argusaugen von der Assistentin überwacht, auf dass ich von dort auch keinen Zentimeter in Richtung der Ber­ühmt­heit weiche. Machte mir Notizen, so gut es ging. Hätte gerne zwischendurch mal eine Partie übertragen, doch das Publikum vermochte zum Glück, die leichte aufkommende Unruhe höflich zu kaschieren.

Zugleich stieg in mir Angst hoch: Wie bitteschön soll ich DAS übersetzen? Die in meine Richtung gesprochenen Worte waren gut verständlich, denn sie bedurften keiner Übertragung, die zur Mitte wurden exzellent verstärkt, und als der Star nach rechts schaute und sprach, wo er gerne ein wenig verweilte, weil dort sich die Wichtigen unter den weniger Berühmten ballten, da verstand ich nun rein gar nichts mehr. Denn das Mikrophon stand stets dort, wo es das Protokoll hingestellt hatte: zentral. Um's kurz zu machen: alle Satzteile, die nach rechts — für mich 'ins Off' — gesprochen waren, fehlten. Waren weg, verschluckt von den Körpern der Angesprochenen, der Fülle diverser Blumengebinde aus kunstvoll tätiger Gärt­ner­hand, verschluckt von den Falten des ebenso kunstvoll drapierten, schweren Vor­hang­stoffs.

Mir brach der Schweiß aus. Wie aus diesen bruchstückhaften Notizen gleich ein kohärentes Ganzes bauen, das dem Ori­gi­nal entspricht? Ich vergaß zu erwähnen, dass mindestens ein Drittel des Publikums meiner Dienstleistung gar nicht be­durf­te, weil es die Sprache des Gasts sprach — oder ohne­hin selbst mehrsprachig war: hohe Funktionäre aus den Be­rei­chen Kultur, Politik, Vertreter des Volkerverständigungs-Business, Menschen, die keinem Broterwerb nachgehen müssen und die ich al­len­falls von den Titelblättern der Arztgazetten kenne.

Aus der Notlage befreite mich ein kompakt gebauter, jovialer Politiker, den das hohe Amt ebenso gut kleidete wie bestes Tuch, er selbst diverser Fremdsprachen gar nicht so mächtig. In charmant brüchigem Englisch sprach er zu mir und ins Mikro und sagte, diese reizenden Worte hätten ja wohl alle verstanden und der Star möge es ihm verzeihen, dass er seine Sprache nicht spreche und daher jetzt anstatt weitere Toasts auszubringen lieber auf Englisch zum Wesentlichen schreite, dem Gabentisch hinter einem der schon erwähnten Vorhänge, fernab des Mi­kro­phon­stän­ders, man hätte sich nämlich anlässlich dieses nicht näher zu be­nen­nen­den Ehrentages einiges einfallen lassen. Und ähnlich wie der Weihnachtsmann, denn es war ja Winter, fing er an auszupacken, dies noch und das noch und die Gespräche wurden zunehmend privat und alle, alle waren's zufrieden.

Ich auch.

Dienstag, 18. März 2008

Die Sprache der Buckelwale

Mmmmmmmrrrrrrrrrrggggghh! Gooooooooooouu
uuuuuuuuuuuuuuuoooooooooooooooooonnnngggg!
Ddddddschrrrrrroooooonnnnnnnnnnnnnnggggggg
gghgouuuuuuuuuuunnnnngggg!


Er atmet tief durch, dann wiederholt er den Ruf noch einmal. Er, das ist Jean-Jacques, ein dunkelhaariger Mann mit Dreitagebart in seinen späten Vierzigern. Er steht im Kino am Potsdamer Platz in Berlin und sieht auf die roten Plüschsessel. Fünfhundert Augenpaare folgen ihm gespannt. Dann sagt er augenzwinkernd zu Peter, dem Dolmetscher: "Bitte, übersetzen Sie!", worauf dieser schmunzelnd erwidert: "Gerne doch!"

Doch Jean-Jacques lässt keine Pause und macht es selbst: "Das war jetzt 'Hallo, schön dass Sie gekommen sind!' auf Buckelwalisch." Peter, der Dolmetscher, überträgt dann die detaillierten Beschreibungen der Lebensumstände verschiedener Wal- und Delfinarten, die das Filmteam in allen Weltmeeren, von der Arktis bis zu Atollen des Pazifik, von den Azoren bis nach Australien in 600 Stunden unter Wasser mit der Kamera beobachtet hat. Wir schreiben den 10.3.08 und sind im IMAX auf der Europapremiere des Films "Delfine und Wale 3D".

Fünf Redner leiten ein, sagen Dank, erzählen, welche Aufgabe sie beim Zustandekommen des Films hatten, auch ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen ist mit von der Partie, denn der Schutz der Tiere ist von supranationalem Interesse.
Fünf Redner - die geplante Sprechzeit pro Beteiligtem liegt bei drei Minuten. Genau drei Minuten benötigt Martina Gedeck, die den deutschen Kommentar gesprochen hat. Sie, die am weitesten von den konkreten Dreharbeiten entfernt war, erzählt sehr überzeugend, wie sehr sie diese Tiere berühren, die ihre Jungen ähnlich wie wir Menschen zu einem Zeitpunkt "auf die Welt" bringen, als diese noch nicht allein überlebensfähig sind. Die Zärtlichkeit der Buckelwale ist ebenso überraschend wie ihre schrundige Haut, ihre kilometerweit hörbaren, seltsamen und bis heute nicht entschlüsselten Rufe - sowie der ganze Film in 3D.

Für die einleitenden Worte sind insgesamt fünfzehn Minuten vorgesehen, es wird am Ende fast die doppelte Zeit dauern, was der Sache keinen Abbruch tut: Das Publikum ist gespannt dabei. Auch nachher noch, beim "Q 'n' A", (questions and answers), dem Frage- und Antwortteil des Abends. Hier ergreift der Taucher und Unterwasserfilmer Jean-Michel Cousteau das Wort, der dem Team bei den dreijährigen Filmarbeiten als Berater zur Seite stand. Er erinnert in eindringlichen Worten an unsere Verantwortung, die wir haben um dafür zu sorgen, dass diese einzigartigen Lebewesen nicht aussterben.

Es gibt aber auch Tröstliches auf der Premiere. Bei den Dreharbeiten wurden weitere Populationen von bedrohten Tierarten entdeckt - und eine Art, die bislang noch niemand beschrieben hatte, geriet den Filmern auch vors Objektiv: Der Stupsnasenwal.

Der Ruf der Stupsnasenwale wird diesen Abend jedoch nicht wiederholt.
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"Delfine und Wale 3D" im IMAX 3D in Berlin. Photo: Hervé Prigent

Montag, 17. März 2008

International verständliche Gesten

Auch bei Gericht arbeiten Dolmetscher. Heute verurteilte das DFB-Sportgericht in Frankfurt Lucien Favre, den aus der Schweiz stammenden Trainer von Hertha, zu einer Geldstrafe von 20 000 Euro. Mit im Gerichtssaal: Ein Dolmetscher. Der Schweizer Coach spricht erst seit vier Jahren Deutsch - wenn's genau werden soll, bemüht er einen Dolmetscher.

Verhandelt wurde Favres Reaktion auf das 1:1-Tor beim Spiel in Dortmund. Dort hatte der 50-jährige den Assistenten des Schiedsrichters am Oberarm berührt und sich, so berichten die Zeitungen, gegenüber einem anderen Offiziellen "unsportlich geäußert".

Dies übersetzten wiederum andere Zeitungen: Der Schweizer solle dem Schiedsteam drei Mal den Vogel gezeigt haben.

Manche Gesten sind eben international - und ohne Dolmetscher verständlich.
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Vertiefung des Themas hier: Liste der Gesten
... sowie SPRACHSCHATZ: "den Vogel zeigen" auf Französisch: tourner l'index contre la tempe comme s'il/si elle voulait lui faire comprendre qu'/il elle est complètement toqué(e) - aus einer aktuellen Übersetzung

Freitag, 14. März 2008

Breite Spinnwebe

Aus der Bedienungsanleitung für einen Regenschirm:

"Zum offnen "auf" knopf am griff drücken. Schirm vom gesichtweghalten Zum schliessen "zu" knopf am griff drücken. Zur reaktivierung der automatik schirm."

Dieser Text gehört nicht zum Schirm vom Billigheimer an der Bushaltestelle, sondern Marks & Spencer hat ihn im Angebot, ein Luxuskaufhaus in London.

Der Text scheint das Ergebnis automatischer Übersetzung zu sein. In Zeiten der "Welt breite Spinnwebe" ist die Versuchung leicht, die Technik mit einem Mausklick Aufgaben übernehmen zu lassen, für die sonst Menschen Zeit und Kosten kalkulieren. Bei echten Übersetzungen bleibt das www das "world wide web".

Donnerstag, 13. März 2008

private jokes (maßvoll vorgetragen)

Anspielungen, die nur im kleinen Kreise verstanden werden, heißen auf Englisch 'private jokes', Privatwitze. Viele Dolmetscher leben auch im Alltag mit mehreren Sprachen, und da kommt es zu Privatworten und Privatwitzen.

Zum Beispiel gibt es da in vielen Haushalten dieses Messgerät, das aus verschiedenen Linealen von 15-20 Zentimetern gebaut scheint, die so aufeinandergedübelt sind, dass sie sich ausfalten lässt und dann erstmal wie eine Fieberkurve (andre denken an Aktien) hoch und runter geht, bis man sie vollständig und flach aufgeklappt hat.

Die Franzosen nennen dieses Objekt "Tischlerlineal" - règle de menuisier - was mich überhaupt erst auf die Assoziation mit den vielen kleinen Linealen gebracht hat.

Auf Deutsch heißt es "Zollstock", auch, wenn es heute nicht mehr aus einem runden Holzstück gefertigt und der Meter die Maßeinheit "Zoll" längst ersetzt hat. Gemessen wird deshalb auch mit dem "Meterstab" - hier wurde außerdem der Stock, der urtümlich nach Rinde, nach 'schief gewachsen' und 'über Stock und Stein' klingt, durch den weitaus 'ziviliserteren', gedrechselten oder geschnitzten Stab ersetzt. Was wo verwendet wird, ist indes weniger eine Frage des Entwicklungsstadiums denn der Region. Aber die Deutschen verstehen sich zumeist trotz dieser regionalen Unterschiede gegenseitig, nur leider nicht alle, denn in Sachsen wird das Werkzeug auch "Schmieche" genannt, das Wort lässt sich einfach schöner sächseln als Zollstock.

Amtlich korrekt dürfte das Wort "Gliedermaßstab" sein, klingt jedenfalls sehr nach "Postwertzeichen". Der Sohn einer Bekannten von mir nennt das Ding schlicht nur "die Messe", das hat er vom polnischen Handwerker, der ihnen die Wohnung schwarz ausgebaut hat (sehnse, det is Balin!)

Zurück zum private joke. In vielen deutsch-französischen Familien ist auch noch der "Klappmeter" bekannt. Auch hier darf das Hilfsgerät zur Ermittlung von Längenmaßen gern die üblichen zwei Meter lang sein - das Wort ist die wörtliche Übersetzung von "le mètre pliant", der faltende oder (zusammen-)klappende Meter. Und in der Erweiterung wird aus dem Papierbändchen von Ikea der "Rollmeter" ;-)

Dienstag, 11. März 2008

Konferenzdolmetschen: Stichwort "Pivot" und "Relais"

Alltag im Büro: Kostenvoranschläge schreiben. Bei großen Konferenzen werden oft mehrere Sprachen parallel gesprochen, und manche Sprachkombinationen sind selten. Wir arbeiten dann bei simultanen Einsätzen im "Relais"-Modus, hier kommt ein "Pivot" zum Einsatz. Beide Begriffe stammen nicht zufällig aus der Sprache der Technik.
le pivot - der Dreh- und Angelpunkt
le relais - die Weiterschaltung
Denn ohne ausgefeilte Konferenztechnik wäre derlei nicht möglich. So aber überwinden wir Dolmetscher mit ihrer Hilfe manche Sprachgrenze.

Da auf großen Konferenzen meist nicht alle Dolmetscher aus und in alle Richtungen dolmetschen können also nicht alle alle Arbeitssprachen beherrschen wird eine Sprache zur Relaissprache erklärt. Diese Relaissprache ist eine weiter verbreitete Arbeitssprache, z.B. Englisch, aus der dann in die anderen Sprachen weitergedolmetscht wird. Der Dolmetscher, der in der "Leitkabine" die zentrale "Verbindungssprache" für alle spricht, ist dann "der Pivot" und zu dessen Verdolmetschung schalten sich alle hinzu, die nicht im Original verstehen, was der Redner gerade vorträgt.

Daher ist leicht nachzuvollziehen, dass die Rolle desjenigen Dolmeschers, der die Rolle des "Pivot" einnimmt, verantwortungsvoller ist als die seiner Kollegen.

Relais etwas "genauer" hier: klick!

Montag, 10. März 2008

Feiertagsarbeit

Wir Dolmetscher und Übersetzer arbeiten mitunter, wenn andere feiern oder ruhen. Beispiel: Gestern, Sonntag, saß ich kurz nach sieben am Schreibtisch am Fenster, während im Hof alles schlief, nur die Vögelchen zwitscherten und die Sonne übte schon mal, solang keiner hinsah (sie behielt ihr Strahlen zum Glück auch noch später bei).

Freitagabend hatte Yildiz angerufen, Junior Producer bei einer bekannten deutschen Filmproduktionsfirma. Ein Darsteller hat einen bevorstehenden Dreh abgesagt, jetzt solle noch einmal gecastet werden. Und dazu brauche die Koproduktionsfirma in Frankreich eine neue Rollenbeschreibung, einen neuen Kurzpitch und ein Résumé des Films, so Yildiz, zu Montag; Sonntag Nachmittag kämen die letzten Elemente. Wie teuer denn das würde?

Ich fürchte, es kam bei der Kollegin nur der Preis für den Mindesauftrag an, der liegt bei dem Umfang einer Manuskriptseite, und damit je Schwierigkeitsgrad bei 30-40 Euro. Das mit dem Mindestauftrag macht immer alle stutzig: Viel Arbeit, viel Geld und wenig Arbeit, wenig Geld, das scheint logisch. Warum dann mehr Geld für wenig Arbeit? Nun, sich hinzusetzen und in ein Thema (wieder) einzulesen, braucht immer ein Minimum an Zeit, so dass bei kleinen Aufträgen diese Umschaltzeit berücksichtigt wird, auch innerhalb einer längerfristigen Zusammenarbeit, da die Umschaltzeit ja tatsächlich nicht produktiv genutzt werden kann. Auch nicht am Sonntag zur Erholung.

Dazu kam noch ein Eilzuschlag. Bei kurzfristigen Wochenendaufträgen wie diesem und wenn grundsätzlich weniger als zwei Werktage zwischen Vergabe und Abgabe liegen, wird der Endpreis um 25 % teurer. Der Grund ist der am Schreibtisch verbrachte Sonntag (ja, es sah schön aus durch die Scheibe!), wahlweise Ostermontag, Neujahrstag. Manche Tage sind aus Familiengründen nicht zu haben, und auch der Feiertag nur selten ganz. Der zweite Grund ist, dass wir unter der Woche Termine schieben müssen und nicht in den eingespielten Teams arbeiten können, weil nicht alle zugleich verfügbar sind, also werden neue Kräfte gesucht, wenn nötig geprüft und beauftragt. Und da es sich hier nicht um eingespielte Kontakte mit gegenseitiger regelmäßiger Nachfrage und Rabattierung handelt, werden zum Beispiel fürs Korrektorat die vollen Stundensätze fällig. Plus Sonntagszuschläge ...

Und irgendwo in Frankreich lasen heute französische Schauspieler Rollenprofil und Filmgeschreibung, zu denen in Berlin auch heute Morgen kurz nach sieben noch Worte gefunden wurden ...

Freitag, 7. März 2008

Dolmetscher-T-Shirt

Platz gewinnen fürs Layout
Die Sache wird immer kurioser: Letztens wurde ein Handy zum Dolmetscher, jetzt geht's low tech weiter: ein einfaches Hemdchen ist der Dolmetscher. Die Sache funktioniert nach dem Prinzip eines "Zeige-drauf-und-ich-verstehe-Buches", das auch im Film "Kirschblüten" von Doris Dörrie vorkommt, über den ich hier schon schrieb.

T-Shirt-Designer Tony Elmore aus Chicago, nach eigener Aussage ein 22,61 Jahre alter "boy", dachte sich das famose Kleidungsstück aus, das für das Überleben in Regionen, in denen man nicht mal 'Bahnhof' versteht, sicher sehr praktisch ist. Kurz draufzeigen und - PRESTO - bist Du schon unterwegs ...__________________________
Design und Foto: Tony Elmore

Donnerstag, 6. März 2008

Tierisches

Einmal war ich auf dem Land zur Erholung. Ich saß auf einer Bank und sah mit vom Dolmetschen leerem Kopf den Rindviechern zu (genauer: den milchproduzierenden, Raufutter fressenden Nutztieren), die da auf der Wiese rumstanden, ziemlich blöd aus dem buntgescheckten Fell glotzten und wiederkäuten. Da durchfuhr es mich, weil ich mich selbst als so etwas wie diese Großvieheinheit da fühlte, denn was anderes hatte ich bis vor kurzem gemacht als Wiederkäuen, eben nur von Sprache und nicht von Gras?

Wie so vieles im Leben ist es nur eine Niveaufrage. Und ehe ich mir jetzt auch noch die Frage stelle, ob die Kuh nach ihrer Arbeit ebenfalls erschöpft ist, nutzte ich (um doch noch Niveau in den Eintrag reinzukriegen), diese Zeilen zu einer sprachlichen Differenzierung. So oft lese ich "Widergabe" ohne "ie", deshalb gebe ich hier jetzt alte Schullehrerweisheit zum Besten: "Wieder- mit Ih-eh immer dann, wenn etwas wiederholt wird", also bei der Wiedergabe die Musik, bei der Wiederholung der ganze Film, beim Wiederspiegeln das ganze Bild.

Dagegen geht der Widerstand gegen etwas, also wider - wir kennen den Wortteil aus dem Wort Erwiderung.

Dieser Text ist keine Erwiderung, auch kein Wiederschein. Er ist, und hier ende ich mit der lieben Tierwelt, lediglich mein eigener Schreibtisch-Pawlow. Der Mann mit den schönen Vornamen Iwan Petrowitsch war der mit den Hunden, der Klingel, dem Fressnapf und dem Rumgesabbere. Nein, hier am Schreibtisch geschieht nichts Unsauberes, ich meine damit nur das: Ich setz mich hin und bin auf Arbeit programmiert, wie in der Kabine am Mikro oder im Labor der Hund an der Klingel.

Daher jetzt weiter im Text, auch wenn mir heute doch eher tierisch zum Heulen mit den Wölfen als zu Gänsegeschnatter zumute ist.
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Bild: Rebecca

Dienstag, 4. März 2008

Handliche Dolmetscher

Bei der Lektüre der Morgenzeitung stutze ich: auf der Cebit werden Dolmetscher angepriesen, die handlich seien. Handlich? Das hatte ich als Adjektiv für einen Menschen noch nie in Erwägung gezogen. Ich lese weiter und erkenne, dass es sich um ein neuartiges Handyprogramm handelt. Die angepriesene Funktion heißt "shoot & translate", knipse und übersetze. Das Handy, unser "Lebensbegleiter" überhaupt, so der Zeitungstext, werde durch automatische Texterkennung zum "Dolmetscher". Dass dieser Begriff verwendet wird, dazu scheint der Anbieter sich auch durch die danach erfolgende Sprachausgabe berechtigt.

Sind Dolmetscher also Sprachautomaten, die etwas 'abfotografieren', in die andere Sprache übertragen und dann einfach nur 'in hörbarer Form' wieder ausgeben'?

Bei dem, was das Handy kann, fehlen ganze Sätze, Zusammenhänge, kultureller Hintergrund und Gefühle der Sprechenden, hier fehlen idiomatische Redewendungen, auf Französisch idiotisme genannt. Jede Sprache kennt sie: Auf die Nase fallen bezeichnet natürlich kein Stolpern unter Einbeziehung des Riechorgans, und bei it's raining cats and dogs fallen keine animaux de compagnie (Haustiere) vom Himmel, sondern es regnet Bindfäden. Hier sitzen auch kein Petrus samt engelshafter Helferlein auf den Wolken rum und wickeln spulenweise Nähgarn ab ...

Das "animal de compagnie" von heute (wörtlich: Begleittier) scheint das Handy zu sein, das fotografiert, Sprache überträgt - und nun auch automatisch Informationen vom einen ins andere Idiom zu verschieben scheint. Das kann vielleicht allenfalls für ein paar Einzelworte klappen, insofern wäre für die Beschreibung der neuen Funktion der Begriff Handy-Wörterbuch angemessen. Ob das Gerät auch idotisme mit Idiotie übersetzt?

Schön, dass ich weiß, dass wenigstens mein Lebensbegleiter mich bei der nächsten Frankreichreise als "unhandliche Dolmetscherin" der neuen Technologie vorziehen wird ... ;-)

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Die Cebit läuft in Hannover vom 4. bis zum 9.3. 2008