Montag, 31. März 2008

Wie geschnitten Brot

Gerade lektoriere ich ein Drehbuch, das in Frankreich spielt. Ebenso spielt jene, leicht abgewandelte Szene, in Frankreich - bzw. im Elsass.

" YVONNE hat unter den zwei großen Ulmen des Hofs den Tisch gedeckt. Alles ist bereit, und am Tisch sitzen bereits JEAN und PETER. Sie unterhalten sich mit YVONNE, die grade Brot aufschneidet. "
Dabei fällt mir ein, dass zu meiner Schüler- und Studentenzeit (80er/90er Jahre) in Frankreich das Brot - in diesem Fall die baguette à l'ancienne, bien cuite - nicht geschnitten, sondern gebrochen wurde. Das war in Paris, es galt sogar in den großbürgerlichen, katholischen Kreisen, die mir das beibrachten, als unfein bis anstößig, mit dem Brotmesser bei Tisch zu hantieren.

Ich habe unter Sprachkollegen gefragt: Wie kennt ihr das? Gibt es regionale oder soziale Unterschiede?

Darauf schreibt einer:
"Brechen, brechen und nochmals brechen. Nach Sättigung die Krümel zu kleinen Kügelchen formen und (falls vorhanden) so tun, als wolle man die hübschen Damen an den Nebentischen damit "abschießen" (= ködern)... So mehrfach erlebt!!!"
Ein anderer:
"Meine Erfahrungen mit Brot in Frankreich, fast ausschließlich in Kreisen des mittleren Bürgertums: das Brot wird nicht am Esstisch selbst, sondern woanders geschnitten, und zwar auf einem ramasse-miettes. Wenn man im Freien isst, wird es eher gebrochen. Vielleicht, weil man den ramasse-miettes nicht nach draußen schleppen will."
Etiennette schrieb:
"Zum Frühstück wird das Baguette quer in Stücke und diese Stücke wieder längs in Hälften geschnitten."
Richtig, es gibt offenbar einen Unterschied zwischen Brotkonsum in der Küche und in Gesellschaft, an der festlich gedeckten Tafel.

Ein französischer Kollege, der in Deutschland lebt, lieferte eine Erklärung:
"Nein, ich glaube nicht, dass es besonders grausam wäre, Brot mit dem Messer zu schneiden.

Aber "rompre le pain" - das Brot brechen - gilt als Zeichen guter Erziehung, selbst der Rebell Jesus brach das Brot und bei jeder Messe wird den Gläubigen gesagt: "Er brach das Brot, gab davon seinen Jüngern und sprach ..."

Das ist leicht mit Baguette und Hostien. Aß Jesus davon schon - oder musste er sich mit ungesäuerten Matzen begnügen? Hat jemand schon mal versucht, pain Poilâne zu brechen? Viel Spaß dabei!"
Nun werde ich der Drehbuchautorin einen Hinweis geben und die Passage mit "Yvonne legt das baguette auf den Tisch" oder etwas in der Art übersetzen. Soll doch die Schauspielerin selbst entscheiden - oder der Zuschauer in seinem Kopf.

Und ich werde nicht weiter überlegen, warum sich auf Deutsch etwas besonders gut verkauft - "wie geschnitten Brot" - ... Brot, das offenbar in Frankreich in dieser Form ein Ladenhüter wäre: Baguettebrot wird sehr schnell trocken, daher ist es zum sofortigen Verzehr vorgesehen - und übrigbleibende Krume (la mie) wird trotz "man-spielt-nicht-mit-dem-Essen!" sogar in besseren Kreisen manchmal zur Knetmasse ...
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Fotos: Diverse Quellen, u.a. Pain Poilâne. Und hier rechts oben war ein Messer am Werk. Igitt!

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