Freitag, 1. April 2022

Wir Wortakrobatinnen

... und -akrobaten! Bonjour, hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­setzer machen, und na­tür­lich auch wir Frau­en im Be­ruf, wie sie bzw. wir arbeiten, ist hier seit Mitte der Nuller Jahre re­gel­mä­ßig Gegen­stand in Form von kleinen Epi­soden aus dem Alltag.

Portait, Lampe, Möbel, Kalender, Füller
Ausschnitt aus dem Arbeitszimmer

Im ersten Augenblick denke ich an einen Aprilscherz: "Wir su­chen jemanden, der nicht so pro­fes­sio­nell ist wie Sie!"
Es geht um eine po­ten­tiel­le Bu­chung. "Pro­fes­sio­nell" ist hier gleich­be­deu­tend zu verstehen mit "teuer", eine weitere il­lus­tre Absage, wie sie wohl nur Linguist:innen ken­nen.
Ich nehme solche Sätze ungern ernst. Beim nächsten Mal werde ich un­ge­niert laut ins Telefon lachen. 

Denn zu schreiben traut sich der­lei zum Glück kaum noch jemand. Stellen wir uns vor, sowas bekäme eine Opera­teurin zu hören: "Wir suchen für die Ope­ration des Bein­bruchs jemanden, der nicht so pro­fes­sio­nell ist!" Oder ein Lehrer: "Wir suchen für den Matheun­terricht unseres Kindes jeman­den, der nicht so pro­fes­sio­nell ist!" Noch einer gefäl­lig? "Wir suchen für das Steuern des Flug­zeuges jemanden, der nicht so pro­fes­sio­nell ist!"

Dann doch lieber Nach­richten wie diese hier, die mir ein Kol­lege heute wei­ter­ge­leitet hat: "Ich zögere keine Sekunde, nach­dem ich das Profil von Frau E. gelesen habe, wir bestä­ti­gen Ihr Ange­bot mit großer Freude. " Frau E., das bin ich. Und stolz wie Bolle. Und voller Vor­freu­de auf den Ein­satz. Und dankbar, dem Kol­le­gen gegenüber.

Hinter­grund dieser Bu­chung: Wir selbständigen Dolmet­scher:innen finden, wenn wir selbst nicht können, für un­se­re Kund­schaft inner­halb unseres Netz­werks die pas­sen­den Kolleg:innen, ohne dass wir uns einen beträchtlichen Teil deren Ho­no­ra­re ab­schnei­den, wie es viele Makler oder Agentu­ren machen.

Bei uns Dolmet­scher:innen ist der Anteil für die Vermitt­lung, den Agenturen für sich be­an­spru­chen kön­nen, leider nicht gesetzlich ge­re­gelt. Bei Schau­spiel­agen­tu­ren ist das an­ders. In Paragraf 301 des Sozial­ge­setzbuchs (SGB III) steht, dass eine Ver­ord­nungs­er­mäch­ti­gung die Provi­sionen regelt, und das ist bei ei­nem kur­zen Ar­beits­ein­satz, bis zu sieben Arbeitstage, 18 Prozent, und dau­ert er länger als zwölf Monate, 14 Prozent.

Diese Rege­lung gilt für Künst­lerinnen und Artisten, Foto­modelle, Werbe­typen, Man­ne­quins, Dressmen, Doppel­gänger:innen, Stuntmen und -women, Disc­jockeys und Berufs­sport­lerinnen. Jetzt mal nachdenken: Wir sind Doppel­sprecher:innen, sehen grund­sätz­lich imm­er hervor­ragend aus (uns sieht ja ohne­hin nie­mand in der Box) und wir ge­hen künstle­risch mit Spra­che um, als Sprach­jongleur:innen sogar ar­tis­tisch.

Wir sollten hier mal eine Erwei­terung der Ziel­gruppe vor­schlagen. Oder die Agen­tu­ren davon über­zeu­gen, sich das Manage­ment separat bezah­len zu lassen.

Und warum vermit­teln wir freiberuflichen Senior Interpreters ohne Extra­kosten Ein­sätze an Kolleg:in­nen? Weil wir damit der werten Kund­schaft einen Dienst er­wei­sen, diese uns dann später wieder bucht und sich alle im Team mit Retour­kut­schen dank­bar zeigen. Win-win-win!

Wenn aber ein Auftrag einen erhöhten Or­ga­ni­sa­tions­auf­wand dar­stellt, weisen wir das in unseren Kosten­vor­an­schlägen aus, das steht dann unter "bera­tende(r) Kon­fe­renz­dol­met­scher:in" im Angebot. Tout tra­vail mé­rite sa­laire, jede Arbeit ver­dient eine Bezahlung. Und wenn es eine zusätz­liche Arbeit ist, wird diese auch zu­sätz­lich berech­net. So einfach ist das.

Und teuer sind wir nicht, wir haben nur un­se­ren Preis: Langes Stu­dium, Selb­stän­dig­keit, von kei­ner Seite kom­men Sozial­leis­tun­gen. Gerade in der Pan­demie wurde klar, dass wir oh­ne Netz und dop­pel­ten Boden un­ter­wegs sind.

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Foto: C.E.

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