Wie wir Spracharbeiter:innen arbeiten, genauer
Konferenzdolmetscherinnen und Übersetzer, beschreibe ich hier. Wir
erprobten international tätigen Simultandolmetscherinnen sind
normalerweise gut ausgelastet. Durch Corona ist das anders. Und ja, trotzdem sage ich eine Anfrage ab.
Heute muss ich ein Nein loswerden, laut und deutlich. Auch gewisse populistische Kreise konzertieren sich. Dazu beraumen sie Treffen mit Gleichgesinnten anderer Länder an, dazu brauchen sie Dolmetscher:innen. Und sie suchen und suchen und bieten erstaunliche Summen und finden ... nicht. Gut so.
Tabakspruch für die (a)sozialen Netzwerke |
Wir Dolmetscher:innen sind wie Ärzte, wir behandeln sie alle, ob rot, blau, schwarz, weiß, kariert, mit Rauten oder quergestreift, links, rechts, oben
oder unten. Und zwar dann, wenn ein Notfall eintritt, wenn Gefahr für Leib
und Leben herrscht.
So gesehen üben wir Dolmetscher:innen auf jeden Fall einen sozialen
Beruf aus.
Aber dann gibt es eben auch die Anfragen, bei denen ich
mich entscheiden kann, wo kein Notfall eingetreten ist, wo nicht von
jetzt auf gleich alles fallengelassen und geholfen werden muss.
Dolmetschen bedeutet, dass die Gedanken, die Stimme, ja fast der Atem der Sprechenden durch einen hindurch müssen, nein, durch mich hindurch müssen. Vor einem Einsatz lese ich viel, denke mich in die Person(en) ein, ja, ich schraube mich fast in sie hinein. Am Ende werde ich, so genau habe ich dann alles verstoffwechselt, wenn das Verb im Deutschen mal wieder ganz am Ende kommt, selbiges vorgewusst und den Satz vor der sprechenden Person zu seinem guten Ende gebracht haben.
Aber hier sehe ich kein gutes Ende, sehe weder guten Anfang noch gute Mitte. Es gibt Themen und Meinungen, DIE will ich nicht verstoffwechseln, mit denen möchte ich mich auch nicht für sehr gutes Geld länger befassen müssen.
Die Grenze liegt bei mir da, dass ich für Menschenfeinde nicht dolmetschen kann. Geht einfach nicht. Schluss, fertig. Diese Ansage ist eine Absage. Oder, um es mit einem berühmten Zitat zu sagen: "Ich habe Besseres zu tun!" Auch wenn das Geld schmerzlich fehlen wird.
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Foto: Netzfund
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