Dienstag, 12. April 2022

Grenzen

Wie wir Sprach­ar­bei­ter:in­nen ar­beiten, genauer Konferenz­dol­met­scherin­nen und Über­set­zer, bes­chreibe ich hier. Wir erprobten in­ter­na­tio­nal tä­ti­gen Si­mul­tandol­met­sche­rin­nen sind nor­ma­ler­wei­se gut aus­ge­lastet. Durch Co­ro­na ist das anders. Und ja, trotzdem sage ich eine An­fra­ge ab.

Heute muss ich ein Nein los­wer­den, laut und deut­lich. Auch ge­wis­se popu­lis­ti­sche Krei­se kon­zer­tieren sich. Dazu be­rau­men sie Tref­fen mit Gleich­ge­sinn­ten an­derer Län­der an, dazu brau­chen sie Dol­met­scher:innen. Und sie su­chen und su­chen und bie­ten er­staun­­liche Sum­men und fin­den ... nicht. Gut so.

Zu Risiken und Nebenwirkungen von Rechtspopulisten lesen Sie ein Geschichtsbuch oder fragen Sie Ihre Großeltern.
Tabakspruch für die (a)sozialen Netzwerke

Wir Dolmetscher:innen sind wie Ärzte, wir behan­deln sie alle, ob rot, blau, schwarz, weiß, kariert, mit Rau­ten oder quer­gestreift, links, rechts, oben oder unten. Und zwar dann, wenn ein Not­fall ein­tritt, wenn Ge­fahr für Leib und Leben herrscht.
So ge­se­hen üben wir Dol­met­scher:in­nen auf jeden Fall einen so­zia­len Beruf aus.

Aber dann gibt es eben auch die An­fra­gen, bei de­nen ich mich ent­schei­den kann, wo kein Not­fall ein­ge­tre­ten ist, wo nicht von jetzt auf gleich al­les fallen­ge­lassen und gehol­fen werden muss.

Dolmetschen be­deutet, dass die Ge­dan­ken, die Stim­me, ja fast der Atem der Spre­chenden durch einen hin­durch müs­sen, nein, durch mich hin­durch müssen. Vor ei­nem Ein­satz lese ich viel, denke mich in die Per­son(en) ein, ja, ich schrau­be mich fast in sie hinein. Am En­de werde ich, so genau ha­be ich dann alles ver­stoff­wech­selt, wenn das Verb im Deut­schen mal wie­der ganz am En­de kommt, sel­bi­ges vor­ge­wusst und den Satz vor der spre­chenden Per­son zu sei­nem guten Ende ge­bracht haben.

Aber hier sehe ich kein gu­tes Ende, sehe we­der guten An­fang noch gute Mit­te. Es gibt The­men und Mei­nun­gen, DIE will ich nicht verstoff­wechseln, mit de­nen möch­te ich mich auch nicht für sehr gu­tes Geld länger befas­sen müssen. 

Die Gren­ze liegt bei mir da, dass ich für Men­schen­fein­de nicht dol­met­schen kann. Geht ein­fach nicht. Schluss, fertig. Diese An­sage ist eine Ab­sage. Oder, um es mit ei­nem be­rühm­ten Zitat zu sa­gen: "Ich habe Bes­seres zu tun!" Auch wenn das Geld schmerz­lich fehlen wird.

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Foto:
Netzfund

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