Montag, 19. Juni 2017

Über politische Partizipation

Hier bloggt eine Übersetzerin und Dolmetscherin für Französisch (und aus dem Eng­li­schen). Heute ein Gastbeitrag über Frankreich mit indirekt kom­men­tie­ren­dem Nachhall aus einem anderen Land. Es schreibt Raffael Sonnenschein, Bür­ger­recht­ler und Gründer von VETO – Dachverband und Gewerkschaft der eh­ren­amt­li­chen Flücht­lings­hel­fer*innen Deutschlands. Raffaels Motto: "Zwischen den Zeilen nehme ich alles wortwörtlich".

Stell' Dir vor es wäre Bundestagswahl und von 48 Millionen Wahlberechtigten gehen 29 Millionen Menschen einfach nicht hin?

Leserinnen am Ufer
Junge Wähler mit Büchern
57 % der Wahl­be­rech­tig­ten ha­ben in Frank­reich ges­tern nicht ge­wählt. Liebe Par­la­men­ta­rier, der Draht zu den Völkern scheint endgültig ver­lo­ren.
Es geht gar nicht um rechts oder links, sondern um die ganz unten. Im Land der Aufklärung und Demokratie-Vorbild für Europa liegt die Demokratie schwerverletzt auf der Intensivstation.

Wollen Sie die Patientin retten? Hier fünf gutgemeinte Empfehlungen:
1. Keine Berufspolitiker. Nach zwei Wahlperioden ist für Abgeordnete Schluss.
2. Diäten deckeln. Das Gehalt der Abgeordneten ist nicht mehr verhältnismäßig.
3. Ämterhäufung unterbinden. Kein Mensch kann fünf Jobs gleichzeitig angemessen meistern.
4. Lobbyisten offenlegen. Kein Zugang für Lobbyisten in die Parlamente.
5. Ohne Transparenz kein Vertrauen. Wenn Videokameras im öffentlichen Raum, dann aber auch in allen Gremien und Parlamenten, ob Kreistag oder Kom­mu­nal­aus­schuss.
6. Mehr Zivilgesellschaft. Mehr Bewegungen in die Parlamente zulassen statt star­rer Gebietsansprüche der Volksparteien.
7. Werte statt Flaggen hochhalten.

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Und jetzt schauen wir noch kurz nach Großbritannien. Dort hat die Brexit-Ent­­schei­dung, die zum Großteil auf ältere Wähler zurückging, offenbar eine neue Ge­ne­ra­tion politisiert, denn 72 Prozent der jungen Leute sind am 8. Juni zu den Ur­nen gegangen. Über die Situation in Großbritannien ("drei Geschichten des Schei­terns"), sein neues Buch, die Rolle der Presse und Veränderungen der Sprache so­wie zum Thema USA äußert sich Englands berühmtester Deutschlehrer. Die Rede ist von John Le Carré. Er sagt über das Sprachenlernen: "Jemandes Sprache zu lernen bedeutet, jemandes Territorium zu betreten. Es bedeutet, dessen Kultur zu ver­ste­hen. Es ist, wie eine Hand auszustrecken."

Hier ausnahmsweise am Montag mein verspäteter "Link der Woche": Marion Löhn­dorf im Gespräch mit Bestsellerautor John le Carré: "Wir müssen Leute wie Trump schlagen, solange sie im Aufstieg sind".

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Foto: C.E.

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