Mit Eisbergen kann man sich vertun. Vom Wasser aus können manche wie Eisschollen mit Spitze drauf wirken. Das Zentralbild des Scheiterns unserer industriellen Gesellschaften ist untrennbar mit einem Eisberg verbunden: die Titanic. Während ich den Namen des Schiffes schreibe, kommen die Buchstaben ins Rutschen, merke ich, dass ich einen untergehenden Schriftzug sehe wie auf dem Cover der Satirezeitschrift und nichts anderes. Passt gut zur Untertiteltheorie: Dass nämlich die Buchstaben, die das Wort "Haus" bilden, als Schriftbild das Gebäude evozieren, so jedenfalls Untersuchungen darüber, welche Hirnpartien beim SEHEN (und nicht beim Lesen) von Untertiteln in den Gehirnen versierter Filmseher feuern.
Dazu passt die Beobachtung, dass bei Vertippern das Gehirn automatisch korrigiert, sofern Anfangs- und Endbuchstaben stimmen. Deise Thoerie bewiest deiser kielne Vesruch durchuas gnaz deultich.
Ein Wort, eine Visualisierung, ein ganzes Hinterland an Verknüpfungen, Anspielungen und Fakten, so funktionieren menschliche Köpfe, genau das werden Maschinen nicht übernehmen können, das ist nicht in Einsen und Nullen fassbar. Und in diesem Hinterland liegt 80 oder mehr Prozent unserer Arbeit als Dolmetscherinnen und Dolmetscher. Wir müssen uns einlesen, die Fakten aktiv abfragbar parat bekommen, als stünden wir demnächst vor einer Prüfung.
Die Dolmetscheinsätze sind Prüfungen.
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Sichtbar wird nur ein kleiner Teil dieser Arbeit, was diese allgemeine Unwissenheit (gepaart mit echter Bewunderung, die uns regelmäßig zuteil wird) sicher zum Teil erklärt.
Die immer schneller werdenden Alltagsrhythmen und die Reduzierung von Spezialisierungen in den Büros tragen auch dazu bei. (Früher wurden wir vom Chef und der Chefsekretärin gebucht, heute gibt es kaum noch echte Sekretariate, sondern "Assistenzen" und "Kostenstellen" mit hoher Fluktuation).
Und weil ich nicht mehr jedes Mal aufs Neue alles wortreich erklären möchte, die Zeit nutze ich doch lieber zum Lernen, habe ich zum Pinsel gegriffen.
So wird visuell klar: Fehlt das Fachvokabular des Kunden, kippt die Spitze genauso zur Seite weg, wie wenn Grundlagenwissen fehlt. Dolmetschen ist halt mehr als das Austauschen von Wörtern, von Einsen und Nullen.
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Illustration: C.E.
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