Montag, 19. Mai 2014

Pech zum Quadrat

Bon­jour, bon­soir, gu­ten Tag oder gu­ten Abend auf den Sei­ten mei­nes di­­gi­­ta­­len Log­buchs. Hier schrei­be ich als Über­setzerin und Dolmetscherin für die fran­zö­sische Sprache (sowie aus dem Englischen) über meinen Berufsalltag, der oft sehr hek­tisch ist. Erstens kommt es anders,

Goldene Palme-Preisträger im Interview (mit Filmteam)
Dolmetschen beim TV-Interview
... zweitens als man denkt. Die abgelaufene Woche war für mich eine Schaltwoche. Nach dem Film­fest ist vor dem Film­fest, schoss es mir durch den Kopf, als mich vor drei Wo­chen eine Hiobs­bot­schaft er­reich­te: Ein ab dem 16. Mai ge­plan­ter grö­ße­rer Dreh wur­de we­­gen der Er­­kran­­kung ei­nes der Haupt­­dar­stel­­ler um un­­be­­kannte Zeit ver­scho­ben.

So hatte ich kurz mit dem Gedanken gespielt, nun doch noch zum süd­fran­zö­si­schen Groß­er­eignis der Filmwirtschaft zu reisen. Bei den verschobenen Film­dreh­ar­beiten hätte ich bis Ende Juni als Set-Dolmetscherin einen deutschen Schau­spieler in Fran­k­reich coachen und für ihn dolmetschen sollen, die Optionszeit (für eventuelle Nachdrehs) reichte bis in die erste Juliwoche.

Solche Filmaufnahmen werden lange im Voraus geplant, also hatte ich meine Cannes-Akkreditierung nicht groß betrieben, aber auch nicht eindeutig abgesagt, on ne sait jamais, you just never know! Ich hätte also noch kurzfristig zusagen können, denn zwei der von mir in den letzten Jahren sprachlich betreuten Filme laufen auf dem A-Festival.

Dann schien sich alles zu fügen: In der Ferienwohnung von Freunden in Cannes war plötzlich ein Kämmerlein frei ge­wor­den. (Hotels sind dort in der Zeit des Film­festivals unbezahlbar und Spontaneität ist das Ge­gen­teil der südfranzösischen Stadt.) Sogar eine Mitfahrt bot sich über Kollegen an, Zufälle gibt es, zwei Teil­strecken mit Boxenstopp und Job. Denn ein Job zwischendurch ist besser, als kei­nen offiziellen Job am Zielort zu ha­ben.

In Cannes gibt es schon lange keine Verdolmetschungen ins Deutsche mehr, bis vor einigen Jahren wurden auch dort die Filme simultan verdolmetscht. Leider laufen dort seit langem auch keine deutschen Filme mehr im Wettbewerb (höchstens Strei­fen, die mit deutschem Geld entstanden sind). Bei meinen letzten Cannes-Auf­ent­hal­ten war denn auch das spontane Dolmetschen von Ko­pro­duktions­ge­sprä­chen die Haupt­auf­gabe. (Die Interviewverdolmetschung übernimmt seit Jahren meistens ein öf­fent­lich-rechtlicher Journalist als Koppelungsgeschäft.)

Am Ende kam alles nochmal anders — eine Magen-Darm-Grippe schlug zu, daher auch die kleine Sendepause, die hier eintrat. Das ist Pech zum Quadrat, wie meine kleine Großmutter gesagt hätte, die ihrer körperlichen Erscheinung wegen den Spitznamen Omaus trug. (Wer den nur er­fun­den hat!? Ich weiß es nicht mehr. Das war nicht abschätzig gemeint, sondern die größtmögliche Liebesbezeugung zu einer von zwei weltbesten Großmüttern!)

Diese Omaus hat mich auch für die Krankheitsphasen gestärkt. Als Kind hatte ich oft Bronchitis, Grippe oder was Dr. Spocks "Handbuch der Säuglings- und Kin­der­pfle­ge" so hergab. Aus dieser Zeit weiß ich, wie wichtig es ist, immer selbst­ge­koch­te (Bio-)Hühnerbrühe im Tiefkühlfach zu haben. Dazu kommen viel Wasser und viel Schlaf, auch diese Fähigkeit habe ich mir von Kindertagen erhalten: Ich drehe mich zur Seite und spätestens nach einer Woche sieht die Welt wieder besser aus.

Licht, Folienkoffer, Molton, "Franzosenarm" etc.
Am Set
Das waren stille Tage. Als der Kopf wieder länger wach wur­de, wandte ich mich Hör­büchern zu, Klassikern, die von wunderbar sonoren Stim­men vorgelesen wur­den. 100 % Kopfkino ist weniger an­stren­gend als Filme zu sehen. Die Zeit wird an­ge­hal­ten.

Ab Donnerstag geht's hier nor­mal weiter.


Aktuelle Lesetipps zum Thema Dolmetschen
—  Link: "Fehlerlesen", Zeit-Magazin (Online-Beitrag datiert auf den 13. Mai 2014)
— Analog (oder hinter der Paywall): "Richtig gehört? Was politische Dolmetscher erleben" von Norbert Heikamp, "Die Zeit" N° 21 vom 15.05.14.
Der Artikel bezieht sich auf die Glosse Lost in Translation, "Die Zeit" N° 19/2014. (Die Pointe, die sich erst durch Heikamps Antwort erschließt: Hier war je Sprache nur jeweils ein Dolmetscher verpflichtet worden.)
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Archivbilder: C.E., Interview dolmetschen
(oben links: Laurent Cantet)

1 Kommentar:

Th. hat gesagt…

Tut mir Leid zu lesen, dass Du krank warst, Caro, und so hat's Dir Cannes versaut. Schade. Fährst Du nach Locarno oder Venedig? Und hast Du Empfehlungen aus Schwerin mitgebracht?

Cherioooo,
Th.