Sonntag, 18. Mai 2014

Mal wieder: Englisch

Hallo und will­kom­men auf den Sei­ten des ersten Web­logs Deutsch­lands aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bine. Am Wochenende fasse ich mich gerne kurz: Link und Foto der Woche.

Original und stark vereinfachte Kopie
Neulich in Schwerin: Menschen aus meh­reren Ländern kommen miteinander nach einer Filmvorführung ins Gespräch. Die Begriffe fliegen hin und her und ich als Wortjongleuse stehe mittendrin, immer eine Tonspur im Mund, eine im Ohr und eine im Kopf, so ungefähr funktioniert Dol­met­schen. (Ich sehe die Spuren plötz­lich ver­stoff­licht wie Tonbandstreifen, einstmals "Senkel" genannt, die mir an Mund, Ohr und Hinterkopf kleben.)

Am Ende bedanken sich alle Beteiligten und bringen ihre Freude darüber zum Aus­druck, dass ihnen "Denglisch" erspart wur­de. Dieses Idiom ist in Deutschland leider viel zu weit ver­brei­tet.

Mit Grausen erinnere ich mich an die mit einer Schnellbleiche für Grund­schul­eng­lisch in den Schulalltag entlassenen Russischlehrer, die im Berlin der Nuller Jahre allen Ernstes Plurale wie "handies" und "mouses" bildeten. Denn gute Eng­lisch­kennt­nisse waren im Osten so weit verbreitet, wie die Champs Elysées nah waren, pas du tout. (Und so konnte in der DDR der "Dispatcher" seinen "Gold­broi­ler" mit "Jus" genie­ßen, das war's dann.)

Und weil ich als Dolmetscherin die Kommunikation absichern durfte, konnten sich alle auch in Details ergehen, drauflossprechen, wie ihnen die Schnäbel gewachsen waren, nachhaken und einander Zeit lassen. Das war wieder eine schöne Erfahrung und kein Austausch in einem Kleiner-gemeinsamer-Nenner-Idiom, bei dem sich nie­mand in Verästelungen wagt aus Angst, ihnen sprachlich nicht gewachsen zu sein.

Rasch dazu meine "Links der Woche": Jürgen Trabant, Emeritus der FU Berlin, be­schreibt in einem FAZ-Interview, wie die Perspektiven, die Sprachen in­ne­woh­nen, unsere Sicht auf die Dinge verändern und wie Englisch unsere Gesellschaften be­ein­flusst. Der Beitrag ist "Der sprachliche Provinzialismus gefährdet das Denken" überschrieben.

Wer praktisch mit der Rettung der deutschen Sprache fortfahren möchte, kann hier Deutsch retten. (Mein Tipp: Ton vorher ausschalten.)

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Foto: C.E. (gesehen in Schwerin;
immerhin wird da etwas versucht)

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