Freitag, 9. Dezember 2011

Photomaton

... heißt der Passbildautomat auf Französisch, und zum Glück kannte ich das Wort.
Welcome, bienvenue, Sie sind auf einer Logbuchseite aus der Dol­met­scher­ka­bine gelandet. Hier schreibe ich mitten aus dem Geschehen ... und manchmal auch vom Überset­zer­schreib­tisch aus. Französisch und Deutsch sind meine Arbeits­sprachen; Kultur, Politik, Soziales und Medien meine Arbeits­schwer­punkte. 
Ein tempo­rei­cher Film­einstieg: Zwei Teens klettern regel­mäßig in den Auto­mat, knipsen sich, tauschen zunächst Schals und Brillen aus, später erste Küsse, denn wir sehen einer jungen Frau und ei­nem jun­gen Mann beim Auf­wach­sen zu. Als junge Twens halten sie erst ihren dicken Bauch, dann die Frucht ihrer Liebe vor die Scheibe, hinter der das Objek­tiv steht. Ti­tel­se­quenz, dann geht die ei­gent­li­che Film­er­zäh­lung los.

In Frankreich heißt der Knipskasten le pho­to­ma­ton. In Deutsch­land herrscht Be­griffs­un­schärfe: Photo­automat, Pass­bild­au­tomat, Schnell­fo­to­au­tomat, je nach Gegend und vor­herr­schen­der Marke. Den fran­zö­si­schen Begriff, der diesmal fürs Lektorieren einer Dreh­buch­über­setzung un­gemein nützlich war, fand ich nicht im Wörter­buch, sondern vor Jahr­zehn­ten im Vor­bei­rennen in der U-Bahn. Ich lese im Gehen fast alles, was ich mit schnellem Schritt lesen kann, und ich merke mir die ko­misch­sten Dinge wie colonne sèche — Steig­lei­tung trocken.

Offenbar sind in Frank­reich und Deutsch­land vor allem die Na­men der Kis­ten un­ter­schied­lich. EDIT: In den 1920-er Jahren war "Pho­to­maton" als Mar­ke eines Selbst­fo­to­gra­fier­ge­räts in Berlin gut be­kannt; entspre­chen­de Lä­den gab es an der Friedrich­stra­ße und am Pots­da­mer Platz.


Als Teenager habe ich dieses Trumm übrigens mal meinem sächsi­schen Cousin in einem Brief beschrieben: Das Ganze ist wie ein Kleider­schrank, dessen eine Seite offen, die andere ge­schlos­sen ist. Die offene Seite kann mit einem Vorhang zuge­macht werden, in ihr steht eine Art am Boden festgeschraubter Klavier­hocker. Wenn Du die Höhe einge­stellt hast, blickst Du seit­lich auf den geschlossenen Teil bzw. auf ein Glas­fens­ter, hinter dem sich das Objek­tiv befindet. Dann musst Du seitlich Geld in die Schlit­ze einwerfen (2 DM). Du kannst noch einstellen, ob Du vier un­ter­schied­liche Aufnah­men oder vier­mal das­selbe Bild haben willst. Dann blitzt es. Der belichtete Strei­fen (vier Fotos untereinander) wird dann an der Vorderseite aus­ge­geben. Er steckt zunächst noch im Schlitz, wo er von einem ein­ge­bau­ten Fön getrocknet wird ...

______________________________
Collage: C.E.

4 Kommentare:

Alexander hat gesagt…

Man kann nur erahnen, wie erstaunt die sächsische Cousine gewesen sein muss!

UE hat gesagt…

colonne sèche — Steigleitung trocken -- ist das ein Fachbegriff, oder heißt das nicht eher "trockene Steigleitung"? Und was ist das eigentlich? Gruß und schönen Sonntag, U.

caro_berlin hat gesagt…

"Steigleitung trocken" steht genauso auf den Schildern, an denen ich in Deutschland vorbeigeeilt bin. Das ist eine eben nicht mit Wasser gefüllte Leitung, die im Brandfall für die Feuerwehr schon bereitsteht (... und hebt sich von der "nassen" Leitung einer Sprinkleranlage ab).

Ebenso schönen Restsonntag,
C.

caro_berlin hat gesagt…

Au weia, Alexander, schrieb ich Cousine? Nein, es war mein Cousin. Einer von dieser Art ... mit dem ich gern im Fotoautomaten ... naja, das gehört nicht hierher. Aber später hab ich ihm aus Paris dann rollende Bürgersteige und solche Dinge beschrieben, aus der Perspektive des Wilden, der in die Zivilisation kommt ;-) Von heute aus betrachtet ist das alles ziemlich kurios.