Freitag, 27. Mai 2011

Studijob?

Will­kom­men auf den Sei­ten mei­nes Blogs aus der Welt der Spra­chen. Hier wird diese Woche schmutzige Wäsche gewaschen. Sprachglossen und Werk­stattberichte folgen wieder ab Montag.

Manche |Agenturen| Sprachmakler haben jegliches Maß verloren. Am Wo­chen­en­de habe ich hier hier eine Anzeige von einem virtuellen Schwarzen Brett für Uni­jobs hochgeaden. "Lingua World" suchte Dolmetscher für 15 Euro die Stunde. Eine Kollegin war so entsetzt, dass sie direkt in der Agentur anrief, um Klartext zu re­den. Die Dame an der anderen Seite der Leitung faselte etwas von: "Sie müssen verstehen, uns sind die Hände gebunden, die Kunden wollen oft nicht mehr zahlen und wir verdienen als Agentur auch fast gar nichts mehr an den ver­mit­tel­ten Dol­metsch­ein­sätzen!" Na klar, aber sicher!

Die Kollegin hatte auch ein hübsches Gegenargument parat. Die Agenturlady wolle sich doch sicher selbst nicht im Krankheitsfalle von einem Menschen behandelt wis­sen, der vielleicht Fieber messen oder Tabletten anreichen könne, also ein we­nig Arzt sei, aber so richtig leider auch wieder nicht, nur weil Madame weniger für ihre Gesundung zu zahlen gewillt sei ...

Mit einem Klick zum screenshot
Mit ihrem Vergleich liegt Hil­la, so heißt diese Kollegin, gar nicht weit von der Si­tu­a­tion entfernt. Mittwoch sah ich, dass die Anzeige der Firma verändert wurde: Man sucht jetzt Leute aller Fächer für "Community Interpreting" für "ein­fache Be­hör­den­gän­ge", der Stundensatz wird nun allerdings nicht mehr ge­nannt, auch die Höhe nicht angedeutet.

Community Interpreters — das Konzept ist umstritten, hier bald mehr da­­ber — werden auch oft in Krankenhäusern eingesetzt. Ich will auch meine Symptome niemandem anvertrauen, der kein Profi ist. Und die Sätze, die von den be­tref­fen­den Institutionen gezahlt werden, kenne ich auch noch nicht.

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Nun folgt zum gleichen Thema die Zuschrift eines „frei­lau­fen­den Kon­fe­renz­dol­met­schers“ mit der Bitte um Veröffentlichung. Aber gerne.

„Man muss seine Mitbewerber kennen, also las ich mal die „Dol­met­scher­ver­ein­ba­rung“ von „Lingua World“, gespickt mit Pflichten, Gewährleistungsansprüchen und Strafandrohungen gegen „freie“ Mitarbeiter.

Der Auftraggeber übernimmt — wen wundert’s — keine Pflichten.

Damit keine Scheinselbständigkeit unterstellt werden kann, versichert der Dol­met­scher, „auch für andere Auftraggeber“ tätig zu sein, und er „ist nicht daran ge­hin­dert, im Auftragszeitraum auch für andere Unternehmen tätig zu sein.“

Das riecht nach unternehmerischer Freiheit!
Die Ketten folgen auf dem Fuße:

„Der Dolmetscher gibt dem Auftraggeber jedoch unverzüglich bekannt, sofern er für ein in unmittelbarer Konkurrenz zum Auftraggeber stehendes Unternehmen oder für ein mit einem solchen Konkurrenzunternehmen verbundenes Un­ter­neh­men tätig ist oder beabsichtigt tätig zu werden.“ Ein Verstoß gegen diese An­zei­ge­pflicht ist mit einer Vertragsstrafe von 5050,00 Euro bewehrt.

Ein Papier voller Widersprüche, Angst schürend, juristisch unhaltbar und nach meinem Dafürhalten sittenwidrig, da „freien“ Mitarbeitern bei Ausübung ihrer unternehmerischen Freiheiten Vertragsstrafen drohen. Wer das unterschreibt, versklavt sich.“

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Textillustration: unibrett.net

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

hier wird nur ohne ende geklagt und totale zustimmung verlangt...
widerspruch und nicht vorgesehene arten von resonanz sind nicht geduldet und werden nicht verstanden...
obwohl hier faktisch krude zusammenhänge behauptet und identifizierbare menschen diffamiert werden...
solange es den unkritischen fans gefällt...

caro_berlin hat gesagt…

Wo gewaschen wird, entsteht Schaum, aber für verbale Schaumschläger halte ich UNS nicht.

Anonym hat gesagt…

UNS?
pluralis majestatis?
wir, caroline elias, von oberbesserwissers gnaden?

caro_berlin hat gesagt…

Sorry für den nicht mehr ganz taufrischen Spruch: Wer lesen kann ist schwer im Vorteil. Oben zitiere ich eine Kollegin am Telefon und ein anderer Kollege setzt sich mit Vertragskonditionen auseinander, falls Sie das bemerkt haben sollten. Hier sprechen also drei Leute.

So, fini, aus, mit Ihnen will ich mich nicht weiter auseinandersetzen, Ihre Sprüche muss ich nicht mehr haben, von denen hier übrigens nur ein kleiner Teil sichtbar wurde. Als Autorin eines subjektiv geschriebenen Blogs, das die Arbeitswelt von Übersetzern und Dolmetschern spiegelt, muss ich das auch gar nicht. Zensiert hab ich übrigens vor allem sexistische Angriffe.

In der Bar wäre das jetzt ein Hausverbot.

Sonst haben Sie hier im Kommentarteil noch allein die (oft nur beleidigende) Kritikerrolle inne und wir vergraulen damit fundierte, konstruktive Kritiken. Das soll nicht sein.

WIR, dass sind jetzt übrigens Anonymus und Bloggerin, nee aber auch.

Schlussklappe!

Werner K. hat gesagt…

Bon débarras !

textblicke hat gesagt…

Von den unqualifizierten Kommentaren des A. einmal abgesehen:

Im Texterbereich ist es nicht anders. Da wären 15 Euro als Stundensatz manches Mal ein echter Verdienst. Gerade die Contentschmieden für SEOs kommen immer wieder auch auf uns professionelle Texter zu und bieten Wortpreise, die in ihrer Unverschämtheit ihresgleichen suchen.

Inzwischen bin ich dazu übergegangen, denen einfach zu schreiben, wie hoch mein Stundensatz ist und verweise für die "Rechtfertigung" dieses Satzes auf meine Webseite.

Inga hat gesagt…

Hi Caro und Juliane,

im Texterbereich verdienen Spitzenkräfte weiterhin gutes Geld. Aber es wird für uns im Mittelfeld immer schwerer zu erklären, warum wir 60 Euro (oder mehr) pro Stunde berechnen, wenn irgendwelche Content-Firmen mit phänomenalen Preisen aufwarten wie 4 € für einen Blogeintrag von 150 Worten. Und man preist die Autoren an: "Hausfrauen, Lehrer, Journalistik-Studenten, Techniker", die damit einer "Nebenbeschäftigung" nachgingen.

Prima Zeiten!

Wochenendgrüße,
Inga