Gestern in der Kölnischen Rundschau, heute im news feed: Ein Interview mit Simultandolmetscher Jürgen Stähle, der vor kurzem ein Buch über unseren Berufsstand veröffentlicht hat. Er ist auch einer der Dolmetscher Barack Obamas. Dessen Reden nennt der Dolmetscher "alles andere als einfach". Obwohl ein exzellenter Redner, lese er seine Reden in diesen Augenblicken (Siegessäule, Antrittsrede) ab — habe aber dabei etwa 150 Prozent des normalen Sprechtempos, ohne sich dessen bewusst zu sein. Zitat Stähle: "Da ist für den Simultandolmetscher die Waffengleichheit nicht gegeben."
Außerdem spricht Stähle über Fragen der Qualität beim Mediendolmetschen, den Unterschied zwischen Dolmetschen und Übersetzen, die Verflachung der deutschen Sprache, die sowohl eine Folge der Internationalisierung ist (kritiklose Übernahme fremdsprachlicher Redewendungen) als auch mit der wachsenden Komplexität der Welt zusammenhängt. Eine mehr als 35-jährige Berufserfahrung gibt dem sehr gut lesbaren Buch spannende Tiefe.
Aus dem Interview möchte ich noch folgenden Satz hervorheben: "Ich bin der Meinung, wir haben ohnehin nicht genügend Wörter. Daraus ergibt sich auch, dass wir für neue Realitäten alte Wörter nehmen müssen. So wird aus dem altbekannten Schiff plötzlich das Raumschiff. Wir kreieren nicht immer neue Wörter, sondern ordnen neue Bedeutungen zu, und da ist Sprache an sich schon eng. Und wenn man dieses Repertoire (...) nicht voll ausnützt, dann agiert man wie ein Tennisspieler, der immer nur Vorhand spielt."
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Jürgen Stähle: Vom Übersetzen zum Simultandolmetschen
— Handwerk und Kunst des zweitältesten Gewerbes der
Welt, Franz Steiner Verlag, 413 S., 29,90 Euro.
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