Dienstag, 1. Oktober 2013

Beratung

Bon­­jour beim ersten deut­­schen Blog, das in ei­­ner zwei Qua­­drat­­me­ter klei­nen Box ent­steht — oder am Über­­setzervs­chreib­­tisch. Die Welt der fran­­zö­­si­­schen und deut­schen Spra­che be­schäftigt mich täg­lich, auch jen­seits der Dol­met­scher­ka­bine. Hier notiere ich kleine und größere Episoden aus dem Arbeitsleben.

Die besten Jobs kommen gerne zur Unzeit. Das Angebot, als TV-Redakteurin zu ar­bei­ten, erhielt ich einst kurz nach dem Studium an einem Sonntagabend gegen sechs Uhr. Vor einem Monat klingelte das Telefon auch in der Nacht zu Montag, allerdings kurz vor Mitternacht. Der Anrufer hielt sich in einer anderen Zeit­zo­ne auf.

Im Hintergrund: Neukaledoniens Arbeitsminister
Für den Mann an der Strippe und seine Be­hörde habe ich be­reits gearbeitet. Einen Minister aus Neu­ka­le­donien durf­te ich damals bei Berliner Ter­mi­nen dol­met­schen. In solchen Te­le­fon­mo­men­ten ist das feed back zum letzten Einsatz immer schön. Es ist von einem neuen Termin die Rede, ich darf eine Kollegin mitbringen. Der Anrufer erwähnte in dem Zusammenhang den Namen einer Dame, die ihm von nicht genannter Seite empfohlen wor­den war. Ich musste tief durch­at­men. Ich hatte ein fettes di­plo­ma­ti­sches Problem.
Denn bei der Erwähnten handelt es sich um eine Frau, die sich einmal als extrem unfair erwiesen hat.

Der Begriff "unfair" trifft es nicht. Denn vor einigen Jahren hat diese |Kol­legin| Unkollegin die Frechheit besessen, die Liste unserer Kunden ab­zu­te­le­fo­nie­ren. Doch damit nicht genug: Auf die Info, dass man weiter mit mir zu­sam­men­ar­bei­ten wolle, sagte sie unwahrheitsgemäß, dass ich jetzt über sie zu buchen sei.
Damit war der nächste Einsatz futsch, und nicht nur der! Es gab natürlich keine schriftlichen Beweise, die Dame hatte den Betrug perfekt eingefädelt. Direkt darauf angesprochen, hat sie übrigens alles geleugnet. Aber hier glaube ich eher meinem etwas vertrauensseligen Kunden (der sich danach nicht mehr vertan hat), sowie anderen gleichlautenden Berichten.

Zurück zum nächtlichen Spätsommertelefonat und Flucht nach vorn: Ich fädelte mich ein als je­mand, die unangenehme Erfahrungen am liebsten vergisst, deutete den Vorfall aber doch an. Die Antwort kam prompt: "Sie sollen ihre Kollegin selbst auswählen, jene, mit der sie sich bei der Arbeit wohlfühlen!" Das tat schon mal gut.

Dann ging es um die Zahlungsmodalitäten. Es fiel das Wort "Agentur". Prompt war ich wieder kurz davor zu hyperventilieren ...

... denn Agenturen unterscheiden sich in einem zentralen Punkt von Dol­met­scher­netz­wer­ken wie den unseren: Agenturen verdienen ihr Geld mit der Vermittlung von Dolmetschern, wir aber mit dem Dolmetschen selbst. Und weil bei in­ter­na­tio­na­len Events ich am Ende das, was aus der Ital­ien­isch­ka­bine an Deutschsprachigem produziert wird, ins Fran­zö­si­sche wuppen darf, liegt mir die Qualität der Ital­ien­isch­ka­bine sehr, sehr am Herzen.

anderer Tag, anderer Ort
Viele Agenturen spielen indes nur Flaschenhals. Vor allem die neuen, die als In­ter­net­por­tal auftreten, und manche große mit Re­nom­mier­adres­se sind nicht selten fachfremd und verhökern die Jobs im schlimmsten Fall nur auf blö­den My-hammer-my-voice-Webseiten. (Ich bin jetzt böse, aber digitale Mini­job­zen­tra­len gibt's auch für Spracharbeiter. )

Angesichts der späten Stunde war ich dann wohl nicht mehr ganz so diplomatisch wie zuvor. Jedenfalls machte ich kurz den Unterschied zwischen Agentur und Netz­werk klar und dass wir nicht für 30-70 % unseres Honorars arbeiten würden. Und wieder reagierte mein Gegenüber, wie ich es mir immer gewünscht hatte. Nein, sagte der Mann am Telefon, es gehe nicht um eine Dolmetscheragentur, son­dern ein Eventveranstalter würde alles in Berlin abwickeln, es gehe doch schließ­lich um eine Delegationsreise von fünf Tagen für 30 Personen. Und ergänzte: "Nein, Sie sol­len ihr übliches Honorar bekommen, wir werden die Haie nicht füttern! Ich ken­ne das selbst, in meinem Becken schwimmen auch welche mit."

Meine Erleichterung war groß. Und sie ist inzwischen wieder verflogen. Derzeit flat­tern mir nur schriftliche Ankündigungen der Buchung aus London, hier sitzt ein Berater, und Neu­ka­le­do­nien in den Briefkasten, die Bitte um etwas Geduld, der Ter­min­plan sei noch wacklig, war auch wiederholt dabei. Gestern fragte ich wie­der nach, großes Erstaunen auf der anderen Seite: Man habe die Buchung doch längst rausgeschickt ... bzw. die Stelle, die sich um die Abwicklung der Or­ga­ni­sa­tion küm­me­re.

Mir wird mehr als flau im Magen. Wo kann die hingekommen sein? Wer hat sie ab­ge­fangen, wer hat meinen Mailaccount gehackt oder in der Berliner "Event­agen­tur" etwas 'fehlgeleitet'? Das sind Situationen, die mir Nachtschlaf rauben, weil der Kontakt mit den Menschen auf der anderen Erdhalbkugel nachts geschieht. Weiter mit dem Warten geht's hier.


P.S.: Wie gut, wenn Anwälte in der Familie sind. Konkludent ist aufgrund des Schriftverkehrs längst ein Vertrag geschlossen. Das beruhigt mich jetzt ein wenig.
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Fotos: Reinhard Mader, C.E.

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