Dienstag, 6. März 2012

Kameragespräche

« Bienvenue !» Sie haben die Arbeitstagebuchseiten einer Berliner Übersetzerin angeklickt, die daneben auch als Französischdolmetscherin für Politik und Wirtschaft, Kino und Kultur arbeitet. Gerade kehre ich von einem sehr schönen Einsatz zurück.

Schaufensterdeko bei Elwert
Warum ich am Wochenende in Marburg war, darüber habe ich hier bereits geschrieben. Insgesamt durfte ich an zwei Tagen vier Fragerunden mit jeweils um die zwei Stunden Dauer konsekutiv dolmetschten (ich glaube, es waren ein- oder zweimal sogar 2,5 Stunden).
Simultan kamen dann noch allerlei Reden und Gespräche hinzu, Eröffnung der Kameragespräche und Verleihung des Kamerapreises an Agnès Godard (mit Foto!)

Es werden sechs Stunden täglich gewesen sein, die ich da Hirn und Mundwerk bemüht habe. Bei solchen Einsätzen schaue ich nicht mehr auf die Uhr, sondern füge mich in mein Schicksal und genieße die spannenden Inhalte. In den "Pausen" sahen wir Filme, rannten ins Restaurant oder spazierten durch Marburg.

Diese Art des Arbeitens ist eine Ausnahme, die ich für liebe Bildgestalterkollegen und in meinem Kernthema Film mache. Grundsätzlich gilt: Wir Dolmetscher arbeiten 20-30 Minuten am Stück, wenn wir simultan gedolmetscht haben, übernimmt eine Kollegin/ein Kollege. Konsekutiv gilt als leichter (was es nicht immer ist); da kommen Solo-Einsätze zum Beispiel für 1,5-stündige Abendveranstaltungen regelmäßig vor.

Normalerweise vertonen Dolmetscher Themen, in denen sie nicht zuhause sind. Damit dies überhaupt möglich ist, lernen wir im Vorfeld Inhalte und Fachtermini. Was dann mit dem Kopf geschieht, ist vergleichbar mit einer schon ziemlich vollgeschriebenen (Studium! Erfahrungen!) Computerfestplatte: Das Neue lastet den Arbeitsspeicher aus, das System läuft deshalb schneller heiß, deshalb müssen wir stets zu zweit arbeiten (und bei überlangen Einsätzen sogar zu dritt).

Wettergasse
Den "ganzen Filmkram" habe ich aber über 15 Jahre lang x-fach gelesen, verdaut, angewandt, gelehrt, überarbeitet, in Festival-, Dreh-, Schnittsituationen verwendet. Kurz: Er ist längst auf der wiederholt "defragmentierten" Festplatte gespeichert. Hinzu kommt, dass ich viele Regisseure der in Marburg ausgezeichneten Kamerafrau über Jahre zum Beispiel auf der Berlinale verdolmetscht habe, also in der Vorbereitung manche Filme zum 2. oder 3. Mal sah ... Anschließend läuft mein "Computersystem" Oberstübchen ruhig und ohne Überhitzung.

Last but not least hat mich die Situation nicht gestresst, ich kenne sie aus dem Jahr 2001. Und im Publikum saßen langjährig Bekannte, Freunde und Kollegen. Ich war, nicht nur, weil ich in Marburg geboren wurde, schlicht und ergreifend "zu Hause".

Dennoch ist diese Arbeit anstrengend. Seither habe ich nur geschlafen oder Texte quergelesen oder Podcasts gehört (und dabei manchmal auch gedöst). Sonntag bin ich noch in Marburg rumgebummelt, vor der Abreise ging's in die Sauna. Soviel zu den Folgen derart intensiven Arbeitens: Zwei Tage voller Einsatz macht zwei Ruhetage zwingend notwendig. Gerne hätte ich eine zweite Kollegin an meiner Seite gehabt, aber das ist im Kulturbereich oft eine Budgetfrage.

Die ersten Danksagungen zu meiner Arbeit hier. In den nächsten Tagen schreibe ich noch etwas über den Auftrag und verfasse auch noch einen eher privaten Eintrag über Marburg.

______________________________
Fotos: C.E.

Keine Kommentare: