Donnerstag, 12. Mai 2011

Der Tag steht auf

Manchmal wäre ich gerne Handwerker, denn die
berechnen schon das "Vorhalten" des Werkzeugs
Mit was für einer Chuzpe einen mancher anruft ... und eine Dienstleistung zum Schleuderpreis wünscht! Kaum fassbar.

Eine Firma kontaktiert mich, man hätte da ein Drehbuch, das ein Bekannter der Chefin übersetzt hätte, das bräuchte noch ein wenig Feinschliff. Ich versuche nachzufragen, was der Bekannte beruflich so macht, studiert hat, seine Muttersprache usw., stoße aber auf eine Mauer.

Das Buch liest sich in etwa so:
Paul ist immer noch im Kraftfahrzeug am Eingang vor dem Kinosaal. Da sieht er Anne. Sie dreht zum Ende der Straße. Paul dreht da auch ab. 
Sie hält einen Sack in die Hand. Sie hält sich vor dem Schaufenster eines Kaffees auf und schaut ins Interieur. Sie sieht nur Iwan, der sitzt an einer Tafel, trinkt ein Glas.
Iwan lässt seinen Blick ziehen. Mit die blutbefleckte Nase beobachtet er die Straße; er hat unter den Augen die Ampel und die Leute, die LKW's und die PKW's. Er wird so sehr in in die Betrachtung getaucht; er bemerkt nicht die Anwesenheit seiner Frëundin. 
Eine Zeit. Der Tag steht auf.
Und hier das Original:
Paul est toujours dans la voiture, à l’arrêt, en face de la salle de cinéma. Là, il voit Anne. Elle tourne au bout de la rue. Paul tourne lui aussi.
Elle tient un sac à la main. Elle s’arrête devant la vitrine d’un café et regarde à l’intérieur. Elle voit Ivan, assis seul à une table, qui boit un verre.
Ivan laisse trainer son regard. Avec son nez ensanglanté, il observe la rue qu'il a sous les yeux, le feu rouge et les gens, les camions et les voitures. Il est tellement plongé dans dans la contemplation qu'il ne remarque pas la présence de sa conjointe.
Un temps. Le jour se lève.
Das war jetzt eine einfache Passage. Sorry, da ist nichts zu machen. Was den Bekannten angeht, tippe ich auf Deutsch erste Fremdsprache, aber ein Vierteljahrhundert her. Längst verjährt! Das Ergebnis ist, wie mein Patensohn sagen würde, ein "minibisschen" besser als mit automatischer Übersetzung, vielleicht entstand so aber auch die Arbeitsgrundlage.

Um auf den Feinschliff zurückzukommen: Hier hilft das beste Werkzeug nichts. Das Material hat an sichtbaren Stellen Astlöcher und ist verschnitten.

Ergebnis: Ich riet der Firma, das Buch komplett neu übersetzen zu lassen, von einem Profi diesmal, denn die Fassung hübschen auch keine fünf oder sechs Stunden Lektorat mehr auf (das wäre für die aufgerufene Summe zu haben gewesen).

Früher aufstehen, Leute! Nachdenken vor der Auftragsvergabe! Natürlich hab ich den Job nicht angenommen. Mal sehen, was als nächstes kommt. Bis dahin mache ich mit Buchhaltung weiter.

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Illustration: Kinowerbung aus den Zwanziger (?)
Jahren, vom Flohmarkt, leider undatiert

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