Mittwoch, 20. Mai 2020

COVIDiary (70)

Hallo und gu­ten Tag auf mei­nen Blog­seiten. Ich ar­bei­te seit 2005 in Pa­ris und Ber­lin als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin, früher auch oft als Über­set­ze­rin. (Was das un­ter­schei­det: siehe die Unter­zeile oben.) Derzeit schreibe ich vom Büro aus. Das Co­ro­na­virus macht aus meinem Blog aus dem Be­rufsall­tag das eher private COVIDiary.

Nein, arbeitslos bin ich nicht, ich habe nur derzeit weder Einkommen noch Auf­trä­ge in Aussicht. Anders als große börsennotierte Firmen, für die ich (noch?) nicht arbeite und die in­ter­net­af­fi­ner zu sein schei­nen, haben die mitt­le­ren und kleinen Unternehmen ihre eu­ro­päi­schen Be­triebs­ratssitzungen und sons­ti­ge Ver­samm­lungen in den Herbst ver­­scho­­ben, wenn nicht gleich auf Jahresanfang 2021. Bildungs- und De­le­ga­tions­reisen: aus­ge­setzt. Par­la­men­ta­ri­sche Be­geg­nun­gen: vertagt. Dreharbeiten, Fes­ti­vals, Kon­gre­sse, Mes­sen: abgesagt.

Leseecke: Sessel, Bücher, Licht
Leseecke
Trotzdem arbeite ich jeden Tag, trainiere meine grauen Zellen, bleibe auf dem Lau­fenden, so, wie Musikerin und Tänzer auch täglich trainieren. Wie sonst nach und vor meinen Tagen mit Einsätzen, studiere ich die Zeitung, schreibe Fach­be­grif­fe auf, nehme eine Themenlexik zur Hand, er­gän­ze. Ich höre Po­li­ti­ker­re­den zu, lese Bü­cher, schreibe meine Zu­sam­men­fas­sun­gen zu Themen.
Und ja, natürlich gehören auch Sport da­zu und gutes Essen, die Arbeit im Grü­nen, der Kontakt mit Familie und Freunden. Und ich helfe inzwischen drei Schülern via In­ter­net beim Lernen, nicht den ganzen Tag, nicht einmal täglich, aber doch re­gel­mä­ßig.

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Das hat das Zeug zum Klassiker! Kanzlerin Merkel heute auf einer Pres­se­kon­fe­renz, als jemand bei einer Frage nachhakt: "Ich wollte das sagen, was ich gesagt habe. Ich habe meine Worte mit Bedacht gewählt. Alles andere warten wir erst­mal ab." Die Dolmetscherin, die im Kopf gedolmetscht hat — Je savais ce que je voulais dire et je l'ai dit. J'ai choisi mes mots avec précaution. Attendons la suite des évè­ne­ments. — freut sich.

Das geht in die Richtung von: "Eine hervorragende Frage. Gibt es weitere Fragen im Raum?" Auf FR: C'est une excellente question, je vous en félicite ! Y a-t-il d'au­tres questions dans la salle ? Auf EN: Good question, next question. (Die Un­ter­schie­de sind kulturell bedingt.)

Die Pressekonferenzen mit der Kanzlerin sind immer erfrischend rasch vorüber. Leider haben die derzeit in Berlin tätigen französischen Korrespondenten alle gute Deutschkenntnisse; vorbei die Zeiten, als ich da dolmetschen durfte. Nun, ir­gend­wann kommt auch wieder ein Wechsel.

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In Treptow
Heute ist Weltbienentag. Vor einem Jahr hat mich der mir nächste Mitmensch zu den Bienenstöcken mit& shy;ge­nom­men, das war sehr ein­drucks­voll. Zuchtbienen haben es derzeit nicht leicht, Imker auch nicht. Ernsthaft bedroht sind in­des Wild­bie­nen und In­sek­ten. Der ak­tu­el­le Zu­stands­be­richt, gerade veröffentlicht, übersteigt die schlimmsten Befürchtungen.

Links: Bericht zur Lage der Natur, BMU, Mai 2020; "Insektenzusammenbruch", Spek­trum, aus dem Jahr 2018, Wie stoppen wir das Insektensterben?, Quarks, NDR, April 2020.

Als Hinterhofgärtnerin bilde ich mich in Naturthemen ständig fort, was mir als Dol­met­scherin zu Themen der Agrarökologie sehr hilfreich ist. Wären Mais und Kür­bis gekommen, hätten wir zu Demonstrationszwecken längst ein kleines Milpa-Hoch­beet hinter dem Haus.

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Was sonst los war: Bücher sortieren, lesen, Kostenvoranschläge für Hand­wer­ker­tä­tig­kei­ten einholen, das Office wird saniert und umgestaltet. Abends eine Onlinekonferenz der französischen Auslands­com­mu­nity zum Thema "Nach Corona". Ich dolmetsche für mich halblaut mit. Im Fachjargon heißt das "stumme Kabine", dieses Mal nur ohne Kabine.

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Fotos: C.E.

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