Montag, 27. Januar 2020

Arbeitsverhinderung

Hier bloggt seit vie­len Jah­ren eine Dolmetscherin. Manch­mal besteht unsere Ar­beit leider aus dem Umgang mit Arbeits­ver­hin­de­rung. Wie kommt das? Einerseits schei­nen immer mehr Berufe abgewertet und zu "Jobs" zu werden, au­ßer­dem nimmt das Wissen um die Be­­son­­der­­hei­­ten von Sprach­berufen merklich ab.

Anfrage: 450.000 An­schläge Prä­sen­ta­tion einer Serie und die ers­ten drei Folgen flugs ins Deutsche, am besten binnen Wochenfrist, der Grafiker brau­che die Texte schnell, dann müsse es zum Drucker, damit alles vor der Ber­li­nale recht­zeitig fer­tig wird.

Moment mal! Warum die Eile? Die Berlinale beginnt erst in vier Wochen. 

Handschriftlicher Text mit Änderungen auf Tastatur
Qualität braucht Zeit
Die Übersetzerin soll innerhalb von ei­ner Woche etwas übertragen, was dann drei Wochen lang von Grafik und Druck bearbeitet wird? Wisst Ihr ei­gent­lich, dass Übersetzen mit Nach­den­ken ver­bun­den ist? In­tel­lek­tu­ell an­stren­gend?

Gut, natürlich braucht auch Grafik ihre Zeit, aber Schrift- und Farbauswahl so­wie das Platzieren von Fotos wird keine zwei Wochen beanspruchen! Oder ist das Drucken für die Maschinen derlei geistig ermüdend, dass es nicht binnen einiger Tage zu er­le­digen ist? Zu­mal die Auflage nicht in die Millionen geht. Der Kunde sitzt in Berlin, am lan­gsamen Post­versand wird's nicht liegen.

Verkehrte Welt. Denn so ein Dreh­buch ent­stand nicht in einer Woche — und Zeit ist auch für uns Über­set­zer eine wichtige Res­sour­ce. Hier zu meinem "Merkblatt Drehbuchübersetzung" aus dem Jahr 2014: klick! (Siehe 2. Hälfte des Blogposts.)

Andere Episode, ähnliches Ungemach: Letzten Freitag durfte ich auf Sender­kosten einen Tag lang einen Schnei­de­raum blockie­ren, leider mit keinem Ergebnis. Nun, Ho­no­ra­re wer­den fließen und sind geflossen: Ein TV-Team ist nach Nord­afrika geflogen, um dort Inter­views zu machen. Es ging um Flucht­routen und die Sahara. Mehr sage ich jetzt nicht, denn das Team wird ein weiteres Mal auf­bre­chen müssen.

Bei der ersten Dreh­reise hatte man sich auf den Chauffeur verlassen, der zugleich Quartiers­macher, Reise­führer und "Über­setzer" war. Das gedrehte Material war allerdings nicht zu schneiden. Es strotzte bei den Antworten nur so von Stellen wie "Wie ich vorhin schon sagte ist es genau so ...", "Also, die Frage ist gut formuliert, das stimmt, genau ...", "Exakt das, und was die Sache noch schlimmer macht ist, dass wir ja wie eben bespro­chen, versucht haben, also im Rahmen der Mög­­lich­­kei­ten, naja einfach war's nicht, aber der Onkel des Bürger­meisters sitzt ja im Par­la­ment, und der kennt wiederum ..."

Floskeln, Sprüche und An­spie­lun­gen auf das Vorge­spräch sind leider am Ende in einen stringenten Beitrag nicht ein­zu­fügen. Wir haben keinen Satz gefunden, der ohne mehrere Zwi­schen­­schnitte funktio­niert hätte, bei dem die Inter­view­ten ein­deu­tig auf Ort und Umstände einge­gangen wären, der Zeu­ge Stel­lung bezogen hät­te. Die erwarteten Aus­­sagen wurden leider nicht wie­derholt.

Kurz: Im Mate­rial war nichts Sende­fähiges drin, nüscht, nada, niente. Das Thema ist hoch­politisch, das Ganze sollte juristisch wasserfest sein.

Und weil vom deutschen Team niemand Französisch sprach und sich alle auf eine eigerlegende Wollmilchsau verlassen haben, die alles andere als ein Sprachprofi war und auch nichts von Film wusste, ist der sicher sehr teuere Dreh jetzt für die Tonne.

Hier wurde an der falschen Stelle gespart.

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Foto: C.E. (Archiv)

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