Anfrage: 450.000 Anschläge Präsentation einer Serie und die ersten drei Folgen flugs ins Deutsche, am besten binnen Wochenfrist, der Grafiker brauche die Texte schnell, dann müsse es zum Drucker, damit alles vor der Berlinale rechtzeitig fertig wird.
Moment mal! Warum die Eile? Die Berlinale beginnt erst in vier Wochen.
Qualität braucht Zeit |
Gut, natürlich braucht auch Grafik ihre Zeit, aber Schrift- und Farbauswahl sowie das Platzieren von Fotos wird keine zwei Wochen beanspruchen! Oder ist das Drucken für die Maschinen derlei geistig ermüdend, dass es nicht binnen einiger Tage zu erledigen ist? Zumal die Auflage nicht in die Millionen geht. Der Kunde sitzt in Berlin, am langsamen Postversand wird's nicht liegen.
Verkehrte Welt. Denn so ein Drehbuch entstand nicht in einer Woche — und Zeit ist auch für uns Übersetzer eine wichtige Ressource. Hier zu meinem "Merkblatt Drehbuchübersetzung" aus dem Jahr 2014: klick! (Siehe 2. Hälfte des Blogposts.)
Andere Episode, ähnliches Ungemach: Letzten Freitag durfte ich auf Senderkosten einen Tag lang einen Schneideraum blockieren, leider mit keinem Ergebnis. Nun, Honorare werden fließen und sind geflossen: Ein TV-Team ist nach Nordafrika geflogen, um dort Interviews zu machen. Es ging um Fluchtrouten und die Sahara. Mehr sage ich jetzt nicht, denn das Team wird ein weiteres Mal aufbrechen müssen.
Bei der ersten Drehreise hatte man sich auf den Chauffeur verlassen, der zugleich Quartiersmacher, Reiseführer und "Übersetzer" war. Das gedrehte Material war allerdings nicht zu schneiden. Es strotzte bei den Antworten nur so von Stellen wie "Wie ich vorhin schon sagte ist es genau so ...", "Also, die Frage ist gut formuliert, das stimmt, genau ...", "Exakt das, und was die Sache noch schlimmer macht ist, dass wir ja wie eben besprochen, versucht haben, also im Rahmen der Möglichkeiten, naja einfach war's nicht, aber der Onkel des Bürgermeisters sitzt ja im Parlament, und der kennt wiederum ..."
Floskeln, Sprüche und Anspielungen auf das Vorgespräch sind leider am Ende in einen stringenten Beitrag nicht einzufügen. Wir haben keinen Satz gefunden, der ohne mehrere Zwischenschnitte funktioniert hätte, bei dem die Interviewten eindeutig auf Ort und Umstände eingegangen wären, der Zeuge Stellung bezogen hätte. Die erwarteten Aussagen wurden leider nicht wiederholt.
Kurz: Im Material war nichts Sendefähiges drin, nüscht, nada, niente. Das Thema ist hochpolitisch, das Ganze sollte juristisch wasserfest sein.
Und weil vom deutschen Team niemand Französisch sprach und sich alle auf eine eigerlegende Wollmilchsau verlassen haben, die alles andere als ein Sprachprofi war und auch nichts von Film wusste, ist der sicher sehr teuere Dreh jetzt für die Tonne.
Hier wurde an der falschen Stelle gespart.
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Foto: C.E. (Archiv)
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