Dienstag, 24. September 2019

Die Hardwareplatine

Im 13. Jahr beschreibe ich hier meinen sprachbetonten Alltag. Ich bin Kon­fe­renz­dol­metscherin und Übersetzerin, arbeite mit der fran­zö­sischen Sprache (und aus dem Englischen). Auch noch im Frühherbst denke ich über unsere Kunden nach.

Und dann ist da noch die Geschäfts­füh­rerin einer deutschen Firma, deren Mut­ter­haus in Frank­reich ist. Die französischen Anteils­eigner sind erst später einge­stiegen und haben mich als Dolmet­scherin mitgebracht. Ich mag diese Kunden sehr gerne, denn die Zusammen­arbeit ist von gegenseitiger Wert­schätzung und von ge­mein­sa­mem Lernen geprägt. Ich hebe das so hervor, weil das in etlichen Bran­chen, die ich bereits erlebt habe, vor allem aber der Film­branche, nicht überall selbstver­ständlich ist.

Sekretär, Laptop, Lampe, Monitor, Kalender, Notizen.
 Arbeitsplatz
Wegen eines Arbeitsstät­ten­neubaus haben wir derzeit eine Vi­deo­kon­fe­renz in der Wo­che, die ich dann konsekutiv dol­met­sche. Das geht von Mal zu Mal bes­ser, ich habe mich auch daran ge­wöhnt, dass ich dau­ernd be­ob­ach­tet werde und dass es für andere witzig sein muss, wenn ich einem he­run­ter­gefallenen Stift hinter­her­tauche oder mit einem Nies­re­flex kämpfe.

Außerdem finde ich, dass sich eine bis an­dert­halb Stun­den Arbeits­be­sprechung per Vi­deo­konferenz gut in den Arbeitsalltag einfügen. Auch positiv: ich muss nicht in der Gegend herumreisen und kann mich im ei­ge­nen Büro weiter um andere Auf­ga­ben kümmern.

Zwischen­durch ploppt jetzt ab und zu eine sehr charmante, kleine Aufgabe in mei­nen Mailbriefkasten. Im An­schluss an unsere Dis­kus­sio­nen gehen nämlich immer wieder mit DeepL rasch über­setzte Zeilen zwischen einzelnen Parteien hin und her. (Vor mir hat­ten sie übri­gens im­mer alles gna­den­los bei Google Trans­late rein­ge­schau­fet und sich ge­wun­dert über das, was das Sys­tem dann aus­ge­spuckt hat.)

Dabei erhalte ich alles in Kopie und darf kurz auf diese zweisprachigen Botschaften schauen. Ich interveniere eigentlich nur noch, wenn etwas gar nicht verständlich oder unmissverständlich ist. Neulich hatte ich den schönen Satz: "Ich möchte, dass Sie an Ihrer Hard­ware­­pla­ti­ne arbeiten." Geschrieben hatte je­mand: Je veux que tu tra­vail­les sur ton tableau de matériel, al­so "Ich möchte, dass Du an Deiner Ma­te­rial­lis­te weiterar­beitest." Wie aus dem Wort "Ma­terial­ta­belle" (wörtlich) die "Hard­ware­pla­ti­ne" werden konnte, er­schließt sich mir nicht. Das 1. Prob­lem ist hier dem­nach eine fal­sche, nicht nach­voll­zieh­bare Wortwahl.

"Wenn Sie möchten, können wir mit Caroline ein Video machen, um die Dermarche besser zu verstehen" war ursprünglich Si tu veux, nous pouvons faire une vidéo avec Caroline pour mieux comprendre la dermarche. 2. Problem: Duzen/Siezen bekommt das Pro­gramm nicht hin. (Ich neh­me an, es läuft ir­gend­wo noch über die englische Spra­che.) 3. Problem: Tippfehler übernimmt das Pro­gramm, ohne zu zö­gern oder nach­zu­fra­gen (oder nachzu­den­ken, was es ja nicht kann). Es heißt al­so: "Wenn Du möchtest, können wir mit Caroline eine Video­kon­fe­renz abhalten, um die Ab­läufe besser ver­ständ­lich zu ma­chen." 4. Problem: Den betriebsinternen Jar­gon faire une video (ein Video machen) für "eine Videokonferenz abhalten", sel­bi­ge heißt auf Französisch üb­ri­gens une viSioconférence, habe ich selbst erst auf den dritten Anlauf verstanden. Wie sollen die armen Bits and bytes das denn kön­nen?!

In den Fällen, wo nur die maschinen­übersetzte deutsche Fassung rumgeschickt wur­de, hat die französische Bezei­chnung meines Dolmet­scherberufs, l'interprète, die Interpretin, die Interpretierende, vollständig ihre Berechti­gung erhalten!

Diese Mini­arbeit rechne ich übrigens nach Stunden ab. Ich habe eine Excel­tabelle für die Zeiter­fassung erstellt, in die ich auch Arbeitszeit eintrage, die ich mit le­xi­ka­li­schen Fragen verbracht habe. Wichtig: Bei der Zeit auch die Minuten notieren, die nötig sind, um wieder in das Thema reinzukommen, aus die mal kurz zur Seite gelegt werden musste. Ergän­zen­der Bürotipp: Beim Mail­programm ist es wichtig, es so einzustellen, dass nur die dringenden Nach­richten sofort durchkommen. Alles andere sehe ich mir dreimal am Tag an und schreibe dann zusammenhängend die Antworten.

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Foto: C.E. (Archiv)

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