An der Oberbaumbrücke |
Heute ist der internationale Weltbildungstag.
Am Morgen haben eine Kollegin und ich einer jungen Autorin etwas beigebracht. Die wollte nämlich ihren Erstling übersetzen lassen, oder ein Teil davon. Es handelte sich dabei um erotisch unterlegte Memoiren, 120.000 Zeichen roundabout, Leerzeichen inklusive.
Leseprobe gefällig? Ich übersetze aus dem Gedächtnis, aber die Art des Texts werde ich schon treffen: "Er zog sie noch ein Stück näher zu sich heran. Das Tief ihrer Augen hinter ihren elegant geschwungenen, langen Wimpern war heute wieder überwältigend. Der Duft ihrer Haut war mit nichts vergleichbar, oder vielleicht doch, eine Mischung aus dem Duft von Milch, Honig, sonnenbeschienenem Unterholz und einer Frühlingswiese. Und in diese Frühlingswiese würde er gleich etwas pflanzen ..."
Sorry, ich hab die Sache fast noch aufgebessert, aber die Chose las sich wie die unfreiwillige Parodie auf einen Bahnhofsroman. Und dann noch das Werk einer Frau.
Also
Werbepuppenstube der Buchhandlung ebertundweber |
Ergebnis: Die Arbeit, die anfiel, hat zwei Kolleginnen glücklich gemacht, die eine hat es aufgrund der Vorlage beim Übersetzen umgetextet und stellenweise nach Rücksprache neu geschrieben, die andere in die Muttersprache des Kunden rückübersetzt. Der hat nun 500 bereits gedruckte Bücher seiner französischen Erstfassung eingestampft.
Tag der Weltbildung, Gedanke zwei, vom Banalen zum Erhabenen. Wir müssen weg von der Haltung, dass unser Wirtschaftssystem auf Wissenszurückhaltung beruht und auf der Herstellung minderwertiger Ware. Wir müssen Wissen teilen. Und wir müssen weg von diesem Wirtschaftskrieg, in dem etliche Schrott produzieren, minderwertige Kopien dessen, was eigentlich gebraucht wird, andere ihren Mitmenschen Dinge aufschwatzen, die sie nicht brauchen, und wieder andere ihre Zeitgenossen nur überaus faktenreich (prüfbar) ausbilden, anstatt sie im Erwerb von Methoden und Arbeitsweisen sowie dem Wachhalten von Kreativität zu begleiten.
Die Aufgaben, die auf den Nägeln brennen, sind zahlreich genug. Ich weiß zwar nicht im Detail, wie das gehen soll bei so vielen konkurrierenden Ideen, Firmen und Personen. Wikipedia oder Open source-Programme für die Textverarbeitung sind oft ein spannendes Vorbild, bei dem viele Hand in Hand arbeiten. Und wo das Ergebnis im Focus steht, nicht das Ego.
Vermutlich sollte man schon mal dringendst in der Schule anfangen und den Kids das Zusammenarbeiten stärker beibringen, wie eine Gruppe eine Lösung finden kann, dass mit den jeweilen Stärken gearbeitet werden soll und das Aufspüren von singulären Begabungen erleichtert wird. Die Chose dann begleiten, damit die Kids uns, die Alten beraten können. Wir verwalten die Welt ja nur für sie und für ihre Kinder.
East side Gallery (West), Ausstellung bis 25.9.16 |
Buch zur Zeit: "Die Konferenz der Tiere" von Erich Kästner.
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Fotos: C.E.
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