Dienstag, 6. September 2016

Parlando

Zur täg­li­chen Arbeit der Dol­met­scher­in gehört die Lek­tü­re von Zeitungen und das Hin­­ter­­fra­­gen des Ge­­le­­se­nen und bereits bekannter Übersetzungen. Mancher kurze Einsatz bringt weitreichende Einblicke in terminologische Abgründe. Zum Sai­son­auf­takt bin ich in Berlin.

Mit dem Rad ins Regierungsviertel, das geht von uns aus im­mer an der "Wand" lang. Und wenn sie nur noch im Kopf ist (ich erinnere mich sehr gut an den Verlauf).

Mauer, Gropiusbau, Abgeordnetenhaus von Berlin
Weg zur Arbeit
Wer wie ich in eine von der innerdeutschen Grenze ge­teil­te Familie hin­ein­ge­bo­ren wurde, zählt zur seltenen Spe­zies der "Ge­sam­tis" und radelt diese Route (im Bild zwischen dem einstigen Hotel Prinz Al­brecht, dem früheren Kunst­ge­wer­be­mu­seum, dem ehemaligen Reichs­luft­fahrt­mi­nis­te­rium und dem alten Preu­ßi­schen Landtag) nicht gleichgültig entlang.

Heute sind das übrigens: Prinz-Albrecht-Gelände, Gropiusbau, Abgeordnetenhaus von Berlin und Bundesministerium der Finanzen.

Dann zwei Brüsseler Gästen konsekutiv die Stimme leihen. Es geht in einer Lan­des­ver­tre­tung bei der Bundesregierung um den Schutz, die Kennzeichnung und Re­gis­trie­rung von Haustieren.

Nach der Veranstaltung erlebe ich, was mir regelmäßig widerfährt, wenn ich denn sicht­­bar gewesen bin: Ich werde in Fachgespräche verwickelt. (Oder es fragt mich der De­­kan einer Universität neulich nach einem Wissenschaftstag, auf dem ich auch gedolmetscht habe: "Wo sitzen sie denn? Was ist ihr Fachgebiet?") Nicht im­mer gelingt es mir sofort klarzustellen, dass ich hier nur "synchronisiert" habe. Zum Glück atmen Men­schen ab und zu. Ein Herr äußerte nach ei­ner Schreck­se­kun­de sein Bedauern, dass die ent­spre­chen­den Aus­schüs­se in Brüssel nur noch auf Eng­lisch stattfinden und mehr oder weniger nur noch die Franzosen in ihrer Mut­ter­spra­che sprechen wür­den, also er als Deut­scher leider nicht.

Blick auf die Reihe vor mir plus Powerpoint
Konzentrierte Arbeitsstimmung
Wasser auf meine Mühlen! Und noch etwas ist auf­ge­fal­len. Die EU kennt Haustiere praktisch nicht als Thema, weshalb ihre Interessen bei den Themen Nutztiere und Landwirtschaft angedockt sind. So kommt es oft zu Fehl­über­set­zun­gen, wird animal welfare dort re­gel­mä­ßig mit "Tiergesundheit" statt mit "Tierschutz" oder "Tier­wohl" übersetzt.

Nach einigen Pausenhäppchen geht's wieder an den Schreibtisch, weiterlernen für den nächsten Einsatz. Habe ich schon gesagt, dass ich meinen Beruf liebe?

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Fotos: C.E.
Haustiere registrieren bei Tasso e.V.

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