Donnerstag, 9. April 2015

Der Optativ ... oder: Gehacktes

Will­kom­men auf den Sei­ten mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs, dem ersten Web­log aus dem In­ne­ren der Ka­bine der Französischdolmetscher. Bonjour, c'est votre interprète de français qui vous parle (pour le français, cliquez ici). Ob in Berlin, Paris oder London, hier schreibe ich regelmäßig über meine Arbeit mit Sprachen.

What the heck are they doing? They're hacking ... Kleines Wortspiel, denn What the heck? mit E heißt so viel wie "Was zum Teufel ...?!", während hack mit A direkt vom deut­schen Hacken kommt.

Site en maintenance
Diese Webseite wird über das Wochenende überarbeitet
Der Vorgang dürfte bekannt sein: Da werden Webseiten in ihre Einzelteile zerlegt oder Zugangscodes von TV-Sendern geknackt und stattdessen Schwarzbild gesendet, wie es gestern Abend dem fran­zö­sichspra­chi­gen Aus­lands­sen­der TV5MONDE wi­der­fahren ist.

Bei Angrifffen auf die Medien wie diesem ist der Begriff ein­deu­tig ne­ga­tiv kon­no­tiert. Die kalifornische Firma facebook allerdings hat sich das Wort hack in so gro­ßen Buch­sta­ben ins Pflaster legen lassen, dass es aus dem Flugzeug gelesen wer­den kann. Hier meint es wohl die Umwidmung einer landesweit bekannten Pu­bli­ka­tion, einer Art Abizeitung für jedes Schuljahr und jede Klasse, das war der erste Wort­sinn, in eine wer­be­fi­nan­zier­te Infoaustauschseite, die weltweit Kunden hat. Und dann sind da noch die Hacks des schwedischen Möbelhauses zum Beispiel, wie die individuell an­ge­pass­ten Produkte von Massenware genannt werden, der Begriff the cus­to­mi­za­tion beschreibt den Vorgang, sogar die Franzosen sprechen schon von la cus­to­mi­sa­tion.

Auf Deutsch haben wir diese Vokabel (noch) nicht übernommen, obwohl es im Deutschen sonst doch so viel stärker von Anglizismen wimmelt als im Fran­zö­si­schen. Und Französisch ist hier wirklich das Stichwort: Ich würde mich zur Stunde herzlich gerne auf einen Einsatz vorbereiten, aber bei einer französischen Behörde dauert das Osterwochenende offenbar die halbe Osterwoche an, seither hat sich die Seite nicht verändert. Oder waren da auch Hacker am Werk? Oder streiken die Informatiker? Ich wünsche mir baldige Änderung, dann denke ich übers Wünschen nach.

Ich sinniere zur Tatsache, wie schade doch es ist, dass es im Deutschen die gram­ma­ti­ka­li­sche Form des Optativs nicht gibt. Dieser unterscheidet sich in zwei For­men: Ein kupitiver Optativ drückt in einer eigenen Verbform einen wün­schens­wer­ten Wunsch aus, nicht zu verwechseln mit der anderen Verbform, potentialer Op­ta­tiv genannt, der wiederum einen mög­li­chen Wunsch ausdrückt. Manche Sprachen kennen diesen eigenständigen Modus, da­run­ter das Färöische, aber auch das Tür­ki­sche.

Lingua World, Anzeige, Dolmetscherinnen für 7,50 Euro die halbe Stunde (von 2011)
Etwas historisch, diese Anzeige, doch beispielhaft bis heute
Mir geht es um den Satz „Ich würde mich freuen dürfen, wenn ihr alsbald kreuz­ge­wal­tig auf die Nase flöget". Ein solcher Satz, mit echten (kupitiven und potentialen) Op­ta­ti­ven sicher sehr viel schö­ner, bezieht sich auf das Ge­ba­ren gewisser (Pseudo-)Agen­tu­ren, deren in­ter­net­me­dia­le und me­di­a­le Überpräsenz extrem ner­ven.

Denn mit aggressiven Marketing und mit Dum­ping­prei­sen reduzieren sie nicht nur un­se­re Honorare auf Trinkgeldhöhe, sondern sie scheren sich einen Dreck darum, ob das Ergebnis am Ende gut ist. Denn außer diesem hoch­of­fi­ziel­len, staatlichen Ein­satz habe ich dieser Tage nichts vorzubereiten; eine Agen­tur scheint unsere Re­fe­renz­liste ab­te­le­fo­niert und unseren Kunden vermittelt zu haben, dass sie jetzt uns "vertreten" würde, was nicht stimmt. Ergebnis: Der eine und andere Kunde unterschrieb das Angebot nämlicher Konkurrenz mit ihren Sonderangeboten, die, als die Sache aufflog, juristisch wurde.

Leider gibt es keinerlei schriftlichen Beweis und direkte Opfer der Abwerbegespräche beim Kunden waren Assistentinnen und Referenten, die sich angeblich verhört haben sollen. Ach, und warum unsere Arbeit ihren Preis hat, steht hier: klick!

Zum Thema Sprachmakler sagt Freundin und Kollegin Britta knapp ihr: "Die sollen sich gehackt legen", und es passt. Und natürlich gab es Hackbraten zu Mittag, al­lein schon der Kohärenz wegen.


P.S.: Reaktion der französischen Kulturministerin Fleur Pellerin zum Hackerangriff hier: klick!
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Illustration: Netzfunde

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