Freitag, 10. April 2015

DAF-Problem

Was Übersetzer und Dolmetscher machen, wissen weite Teile der Bevölkerung nicht. Schlimmer noch, hartnäckig halten sich (zumindest beim Übersetzen) Vorurteile und falsche Annahmen. Zum Beispiel das da: Übersetzen kann jeder, der zwei Sprachen so einigermaßen beherrscht. Blick auf den Schreibtisch.

Vokabelarbeit
Es war einmal ein Un­ter­neh­mer, der lebte in seiner fer­nen Heimat Tür an Tür mit ei­nem Men­schen, der aus ei­nem an­de­ren Land stammte. Nun er­gab es sich, dass die­ser Han­dels­mann in Kon­takt mit dem Her­kunfts­land des Nach­barn tre­ten wollte. Also frag­te er den Menschen eine Tür weiter, ob dieser nicht für ihn einen Über­setz­ungs­auf­trag er­le­di­gen könnte.

Es war stadtbekannt, dass dieser Nachbar bereits Briefe und die Inhalte von Zei­tungs­ar­ti­keln für so manch anderen in die Landessprache übertragen hatte. Nun schien alles viel einfacher, ging es für ihn doch darum, nur in seine Muttersprache zu übersetzen. Das sollte doch kein Problem sein.

Soweit, so gut. Dieser Nachbar, der seit Jahrzehnten im Ausland lebt, sagte nicht nein, sondern übersetzte flugs eine lange Liste von Informationen, die sich an Kun­den richten, samt ausführlicher Beschreibungen von diverser Ware.

Das Ergebnis ist leider ein ungelenkes, oftmals falsches Deutsch. Für mich ist das ein DAF-Problem, ein Problem mit Deutsch als Fremdsprache, denn der Be­tref­fen­de spricht das Idiom seiner Mutter inzwischen so selten, dass eine Entfremdung eingetreten ist. Hier einige Beispiele, kursiv immer der "Ausgangstext".

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Das sind jetzt nur einige Beispiele, die keine Rückschlüsse auf das Produkt zu­las­sen. Dazu musste ich auch immer ein Auge auf das Original haben, etliches war einfach falsch übersetzt. Ich hätte drei Monitore gebraucht.

Nun weiß ich nicht, was der freundliche Nachbar dem Handeltreibenden in Rech­nung gestellt hat, ich ahne nur, was ich in Rechnung stellen werde. Denn dieser Kleinknüselkram mit dem Umfang eines halben Spielfilmdrehbuchs hat mich jetzt drei Tage gekostet, keine vollen Tage, zwischendurch musste ich mein Hirn immer wieder frei bekommen vom Geschwurbel.

Gleich kann ich mich wieder ans Abarbeiten meiner Liste vom vorletzten Montag machen. Die Sache ist übrigens vom Ablauf her typisch, kaum steht der Plan ... fällt er. OK, Montag, das war eine Wunschliste. Ein Manager verplant auch nur den halben Tag, die andere Hälfte wird für Unvorhersehbares freigehalten.


P.S.: Reparaturarbeiten mache ich ab und zu, aber eher ungern. Für den Kunden wird die Sache in der Summe teurer, als wenn er gleich zu einem erfahrenen Profi gegangen wäre, denn insgesamt kostet es mehr Zeit als nötig. Daher ist bei solchen Sachen die Stimmung zunächst immer schlecht. Auf der an­de­ren Seite kommt mir die Rolle der heldenhaften Retterin zu, das kompensiert ein wenig. Oder so: Ich fühle mich wie die Maßschneiderin, die verschnittene Mode von der Stange zum aufwändigen Umarbeiten erhält. (Auch eine Form von custumization.)
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Foto: C.E. (Archiv)

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