Montag, 6. Oktober 2014

Preiswert

Bonjour oder bon­soir auf den Web­sei­ten einer frei­be­ruf­li­chen Über­setzerin und Dol­met­scherin. Mit den Fach­ge­bie­ten Politik, Wirtschaft, Kultur und Soziales ar­beite ich in Berlin, Paris, Marseille oder Hamburg bzw. überall dort, wo ich gebraucht werde.

Es ist nicht immer leicht, geduldig und freundlich zu bleiben, wenn unsereiner erst mühevoll berät, Fragen stellt, unsere Abeitsweisen beschreibt, damit Prob­le­men im Ablauf vorbeugt — und später mitbekommen muss, dass sich der potentielle Kun­de am Ende für einen "preiswerteren Anbieter" entschieden hat. (Wer weiß, ob dessen Ethik und Ansprüche dem entsprechen, was ich über meine Kollegen und mich berichten durfte.)

Auf dem Markt kursieren Zahlen, die nicht viel mit professionellem Arbeiten zu tun haben. Erst neulich wurden wir leider ausgebootet von einem Kostenangebot, wo ein Nichtprofi 50 % veranschlagt hatte. Wobei das Wort "preiswert" oft durchaus zu­tref­fend ist: Billigübersetzungen sind in der Regel genauso viel wert wie der Dum­ping­preis niedrig ist. 

POV der Dolmetscherin in einer Botschaft
Auf jeden Fall ist Beratung klein­teilige Arbeit: Do­ku­men­te lesen, Kunden beraten, An­ge­bo­te schreiben, das alles kostet Zeit. Diese Zeit habe ich nicht immer, deshalb lade ich hier manchen Eintrag zu schnell hoch.
(Bei der Ge­le­gen­heit möchte ich Ihnen, liebe Le­ser­in, lie­ber Leser, für Ihre Nach­sicht im Fall von Tipp­fehl­ern dan­ken.)

Der Vorteil des Blogs: Laut statistischer Übersicht haben in den letzten zwölf Mo­na­ten hier alle Leser zusammen mindestens 30 Arbeitswochen lang geschmökert. Wäre ich jedes Mal live auf der anderen Seite einer Telefonleitung gewesen, ich wäre nicht zum Arbeiten gekommen.

Nur in Tagen wie diesen habe ich Zeit für ausgiebige Telefonate. Nach dem ersten Frühherbstansturm haben die Schüler in NRW und Thüringen schon wieder Ferien. Zwei meiner Kunden von dort, Eltern mit jüngeren Kindern, bescheren mir eine kleine Verschnaufpause.

Aber es gibt auch ohne diese Kunden genug zu tun. Wie ein guter Bauer dieser Ta­ge sein Feld umpflügt, beackern auch wir manches Wortfeld. Eines der drän­gends­ten politischen Themen der Zeit ist die Situation der Flüchtlinge aus Kri­sen­län­dern. Derzeit arbeiten viele Kolleginnen und Kollegen an dieser Thematik, nicht selten ohne Honorar oder für eine kleine Aufwandsentschädigung. Mit einer Ka­bi­nen­kol­le­gin führe ich die Vokabelliste weiter, dazu hören wir noch Hör­funk­sen­dun­gen aus den letzten Monaten. Meine Podcasts erhalte ich meistens bereits ver­schlag­wor­tet, das hilft mir, sie aus der Archivfestplatte hervorzukramen. Etliche Stichworte er­gänze ich aber beim ersten Anhören. Auch diese Arbeit fließt (normalerweise) in meine Preise ein.

Sonntagabend um sieben kommt noch ein Anruf rein mit der Frage: "Wir haben eine klei­ne Übersetzung zu morgen früh, geht das? Sagen Sie mal eine Haus­num­mer!" Das Wort "Hausnummer", auf das unsereiner nur widerwillig antwortet, ist die klassische Katze im Sack.

Sonntagabendstimmung vor dem Job
Da können wir uns eigentlich nur verschätzen. Hier gilt die goldene Regel: "Erst die Buch­sta­ben kennen, dann die Zif­fer benennen." Abends und am Wo­chen­en­de hänge ich mich ohnehin nur mit Zu­schlag rein. Wir sind unseren Preis wert und preiswert für das, was wir machen — aber billig zu haben, das sind wir nicht. Qualität ist ein Wert­be­griff.

Viertel nach sieben ist die Zusage ist da. An die Arbeit, jegliche Abend­ver­lustie­rung ist hiermit leider gestrichen!
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Fotos: C.E. (Archiv)

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