Freitag, 3. Oktober 2014

Unfriendly takeover

Ein­­blicke in ei­nen der am we­­nigsten be­­kann­­ten Be­­ru­­fe kön­­nen Sie hier neh­­men, lie­­­be Leserin, lieber Leser, und zwar in den der Dol­met­scher. Neben der münd­vli­­chen Über­tra­gung ar­bei­te ich auch als Übersetzerin.

Endlich mal Ruhe im Büro. Und zwischen Vokabellisten und Zahlenkolonnen ge­nie­ße ich mein kleines Bonbon: Einen Blogeintrag schreiben. Das macht den größten Spaß.

Am frühen Morgen ist es im Büro ruhig, das bekomme ich mit, weil ich dort und nicht laufen war, denn nach einer anderen sportlichen Aktivität gestern habe ich Mus­kel­ka­ter bis in die Haarspitzen. Im Büro ist es ruhig, weil Feiertag ist. Also be­rei­te ich einen Charity-Einsatz zum Thema Migration und Integration nach, weil die an­ge­stamm­te Ko-Kabine Montag einen solchen woanders haben wird. Die Le­xi­ken wan­dern inzwischen auch außerhalb gemeinsamer Einsätze hin und her.

Ich suche nach einem besseren Begriff für Charity-Einsatz. Manche sagen dazu Ca­ri­tas-Job, aber da ich für diese Struktur tatsächlich schon gearbeitet habe, passt das nicht. Pro bono-Einsatz ist ohne jede Bezahlung, dann gibt es noch den Termin ge­gen eine kleine Aufwandsentschädigung, Fördereinsatz klingt nach Film­för­de­rung, Mildtätigkeitseinsatz nach Kirche und ist zu lang, bei Hilfseinsatz sehe ich eher eine Schippe als ein Mikro vor meinem geistigen Auge.

Am meisten stört mich an der Charity die damit verbundene Lady, eine solche will ich nicht sein, am zweitmeisten die englische Vokabel. A propos ... mir sitzt noch der Schreck in den Gliedern von vor einigen Tagen, da eröffnete eine deutsche Da­me eine Konferenz, ich saß für Französisch in der Kabine, hatte aber Mühen her­aus­zu­fin­den, auf welche Ausgangssprache ich mich denn nun einstellen müsste.

Die Politikerin las in Maschinengewehrgeschwindigkeit die Kick-off-Rede vom Blatt ab, für das sie ein Briefing erhalten hatte. Sie stellte erst einige Main issues vor, auf die sie durch ein kurzes Brainstorming gekommen war, berücksichtigte dabei die Agenda der Stakeholder, gab die Eckdaten des Benchmarkings bekannt, warf kurz die Due Di­li­gence-Checkliste als Teil ihrer PowerPointPresentation an die Wand und beschrieb, das Approval des Executive Managements hatte sie eingeholt, die Landmarks des bevorstehenden Action Plans ... Ach, dieses unfriendly take­over durch die eng­li­sche Sprache!

Grafik, die der Laptop anzeigt: Burden of the neglected tropical deseases. Der Mann vor der Glasscheibe schaut gerade auf sein Tablet.
Drei Screens in einem Bild (*)
In der Rede kamen noch mehr derartige Begriffe aus ihrem  Arbeitsfeld vor, die ich aus Kun­den­schutzgründen nicht nennen darf. Es sind Worte, die ich im Vorfeld samt und sonders alle hätte pauken müssen. Ich war aber für Fran­zösisch einbestellt und an den Verteiler fürs Eng­lisch­glos­sar nicht angeschlossen. Der Spa­nisch­ka­bine ging's exakt wie mir.

Beim Dolmetschen ist diese Art von Sprachmischmasch besonders unangenehm. Da wir ja parallel selbst sprechen, überlagert die eigene Stimme das, was von Red­nern ankommt. Viele Begriffe nehmen wir nur im Kontext wahr. Wenn wir jedes Wort erst zunächst dahingehend abhören müsen, aus welchem Sprachkreis es stammt, verknoten irgendwie die Sprachspuren im Hirn. Außerdem zieht das Hören dann zu viel Energie ab, die wir fürs Übertragen und Sprechen brauchen.

Was habe ich gemacht? Erst falle ich für Sekunden in eine katatonisch wirksame Sy­nap­sen­star­re, dann bin ich kurz mutig: L'oratrice parle très vite, son texte n'a pas été communiqué à l'avance. (Die Rednerin spricht sehr schnell, ihr Text wurde nicht vorab ausgehändigt.) Jemand gibt ihr ein Handzeichen. Ich setze wieder ein.

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Foto: C.E. (Archiv)
(*) auf Deutsch wären's nur zwei Monitore
und eine Leinwand

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