Samstag, 26. Juli 2014

Weiße und bunte Mahlzeit

Bonjour auf den Seiten des Logbuchs einer Sprachmittlerin für die französische Sprache. Hier denke ich über meinen Berufsalltag nach, der mich zwischen den Orten der Politik, Kultur und des gesellschaftlichen Lebens manchmal ganz schön auf Trab hält.

Wildkräutersalat vom Maybachufermarkt: Giersch, Melde, Löwenzahn, Knoblauchrauke, Kerbel, Barbarakraut, Gundelrebe, diverse Blüten und viel mehr, 2,50 Euro je 100 gr., regional und ökologisch
Mein Lieblingssalat vom Maybachufermarkt
Das Internet bringt soziale Events mit sich, die wir uns früher nicht hätten aus­den­ken können. Nehmen wir zum Beispiel den Flashmob (mo­bi­li­sa­tion éclair). Spontan ver­ab­re­det, treffen sich Men­schen, um auf dem Al­ex­an­der­platz wie Tote auf dem Pflaster zu liegen oder einem Uniseminare zu folgen ... oder aber Un­be­kannte tref­fen einander zum Essen.

Die Sache geschieht als Protest gegen Krieg und Sparpolitik, oder aber aus Spaß. Die Sache ist ein Hype, seit es Internet gibt. Eine innere Stimme meldet Protest an. Denke an 1968! OK, übergeredet, wie der weltbeste Patensohn früher gesagt hat, früher hieß sowas sit in oder teach in und der Spaßfaktor war damals auch wichtig. Aber ein spontanes Dinner in Weiß, wie ich es vor Jahren in Paris erlebt habe, ging doch irgendwie nicht vor Zeiten des World Wide Web, oder? Sicher nicht in dem Ausmaß.

Lauter weiß gekleidete Menschen treffen sich spontan mit Tisch, Stuhl, Ver­zehr­ba­rem und nicht nur Weißwein, Tischdecke und, warum nicht, der weißen Stoff­ser­viet­te. Die Szene findet zunächst in Paris statt. Die Idee ist ähnlich wie die Fête de la musique ein französischer Ex­port­schla­ger, inzwischen wird ihr aux quatre coins du monde gehuldigt, in allen Ecken der Welt: 2013 wurde in 40 Städten an pro­mi­nen­ten Orten stilvoll gespeist und der Sommer (oder der warme Herbstabend) ge­fei­ert. Livemusik, Serviettenschwenken und Wunderkerzen (cierges scintillants) scheinen auch Pflichtteil des Programms zu sein.

Die spontane Besinnung auf Stil und Tradition ist perfekt vernetzt und wird von Profis logistisch koordiniert, was ich diesem Film entnommen habe. Auf das Berliner Event wird von offizieller Seite nicht hingewiesen.



Das diner en blanc, fand vor einigen Wochen bereits zum 3. Mal in Berlin statt. Der Film stammt von der hiesigen Premiere des Events. Ich habe es leider verpasst, bin dafür wohl noch nicht in den richtigen Kreisen. Statt­des­sen wurde ich zu einem Themenessen eingeladen: "Der bunte Festtagsbra­ten". Es gab Kaviar, dann eine Spi­nat­cre­me­sup­pe, gefolgt von zartem weißem Kö­nigs­lachs mit goldgelb ge­sot­ten­en Tel­to­wer Rübchen, rote Beete sowie blauen Kar­tof­feln aus Frankreich, auch Trüf­fel­kar­tof­feln genannt. Der Zwischengang bestand aus Wildkräutersalat mit ess­ba­ren Blüten, dann folgte irgendein totes Tier mit But­ter­möhr­chen und grünen Bohnen. Zum Dessert gab es Heidelbeeren und belgisches Bit­ter­scho­ko­la­de­sor­bet (also ohne Sahne).

So bunt und vielfältig wie das Essen waren die Gäste. Die Sache war allerdings kein Flashmob, sondern folgte dem Prinzip: Kein Beruf und keine Nationalität durfte zwei Mal vertreten sein. Das ging übrigens gründlich schief, denn der Gastgeber, ein Dolmetschkunde, den ich vor einiger Zeit ver­hei­ra­ten ge­hol­fen hatte, war der festen Überzeugung, dass ich Französin sei. Fotos gibt's keine vom Abend. Es war Prominenz zugegen, Knipserei war nicht er­wünscht.

Der Fehler auf der Gästeliste, der ich meine Anwesenheit verdankte, wäre mit etwas In­ter­net­re­cherche vermeidbar gewesen. Ohne Internet auch kein weißes Diner, war ich überzeugt. Aber ach, mein Gedanke stimmt nicht: Das diner en blanc feierte in Paris letztes Jahr sein 25. Jubliäum.

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Film: YouTube, Foto: C.E.

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