Sich für sein Einkommen rechtfertigen zu müssen, macht keinen Spaß. Gerade rief die dritte Agentur binnen Wochenfrist an und möchte mich für Gerichtsdolmetschen anwerben. Das mache ich im Notfall direkt für die Justiz, die ihre Honorare gerade "angepasst" hat. Das ergab eine Erhöhung für die Dolmetscher und eine Senkung für die Übersetzer, nachdem die Sätze seit Jahren bis Jahrzehnten unverändert geblieben waren. (Genauere Recherche folgt nächste Woche.) Kurz: Das neue Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) hat den Kaufkraftverlust nicht ausgeglichen. Ergebnis: Ich arbeite ab und zu zu diesen Sätzen, aber bewerbe mich nicht groß darum.
klingende Münzen und mehr |
Da muss ich nochmal nachhaken. Denn das wirtschaftliche Risiko für den Job lag allein auf meiner Seite.
Sollte ich nach einer Buchung fürs Gericht eine Anfrage für einen vollbezahlten Dolmetscherjob bekommen, gebietet die Redlichkeit, diesen weiterzugeben. Möglicherweise verzichte ich dann aber auf 750 Euro Tagesgage, um bei Gericht 150 Euro Umsatz zu generieren.
Die Agentur von heute hat mir pro Stunde übrigens 35 Euro angeboten und für Hin- und Rückweg eine Pauschalvergütung von insgesamt 20 Euro. Meine Antwort war kurz und eindeutig: "Die Sätze sind indiskutabel, rufen Sie mich bitte nicht mehr an!" Dann kamen die Einwände der Agenturdame. Sie zielte auf ein schlechtes Gewissen, aber nur bei mir. Warum haben solche Menschen eigentlich kein schlechtes Gewissen?
Auch bei wohlhabenden Privatkunden rufe ich höhere Sätze auf. Gespräch mit einem (potentiellen) Privatkunden: "Sie müssen ja nicht so genau dolmetschen wie bei einer Konferenz!" Darauf ich: "Was soll ich weglassen? Die Artikel, Adjektive, alle Nebensätze oder wie hätten Sie's denn gern?"
Die Gerichte haben übrigens auch ihre Auftragsvergabebüros und müssten die Aufträge nicht an Agenturen vergeben. Ein Kollege mutmaßte auf den Seiten eines sozialen Netzwerks, dass diese Weitervergabe gar nicht rechtens sei. Muss ich kommende Woche auch mal recherchieren.
P.S.: Einer Kollegin wurden von einer Agentur sogar 15 Euro die Stunde angeboten, die Reisezeiten würden dabei wohl auch "vergütet". Was für ein Witz!
Vokabelnotiz
Klingende Münze — monnaie sonnante et trébuchante
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Foto: C.E. (Archiv)
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