Montag, 4. März 2013

Gold!

Willkommen auf den Seiten eines vir­tu­el­len Arbeits­ta­ge­buchs aus der Welt der Sprachen. Ich bin Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache und aus dem Englischen. Hier denke ich über unseren Berufsalltag nach ... und über das Arbeitsmaterial.

Der "goldene Handschlag" heißt auf Französisch le parachute doré, der goldene Fallschirm. Und wer in Deutschland "mit einem goldenen Löffel im Mund geboren" ist, auf die oder den passt in Frankreich das Sprichwort être né avec une cuiller d'argent dans la bouche, also mit einem silbernen Löffel im Mund geboren sein. (Der goldene Löffel, den die Académie Française ebenfalls anführt, ist meinen kleinen privatempirischen Untersuchungen zufolge weitaus weniger verbreitet.)

Wann die Franzosen angefangen haben, den gefütterten Kleinst­kindern derart aufs |Maul| Mündchen zu schauen, ist nicht bekannt. Der Begriff stammt Expressio.fr zufolge aus dem Englischen, ist eine wörtliche Übertragung des born with a silver spoon in his mouth. Expressio führt als erste Erwähnung in England eine um 1712 erschienene Übersetzung von "Don Quichotte" des Cervantes an. Der gleichen Quelle zufolge ist der Löffel auch in den Niederlanden und in Rumänien aus Silber: Geboren met een zilveren lepel in de mond bzw. Născut cu linguriţă de argint (în gură).

Als Erklärung für die Redewendung nennen die Internet­quellen unisono den Usus, dass gewisse in ein wohlhabendes Umfeld hineingeborene kleine Mensch­lein von ihrem Paten einen Löffel aus einem wertvollen Metall als Taufgeschenk erhielten ... was dann als Omen fürs ganze Leben interpretiert wird. (Betrachten wir die Selbst­re­kru­tie­rungs­quo­ten vor allem deutscher (Wirtschafts-)Eliten, ist es kein Wunder, dass der Aus­druck bis heute verstanden wird.)

Besteckschublade von oben: Zuckerlöffelchen, Löffel usw.
Wirken nur im Abendlich gülden: Omas und Uromas Silberlöffel
Wo wir schon beim Löffel sind: Das englische spoon kommt von spon oder span, ei­nem Holzspan, aus dem an­schlie­ßend der Löffel ge­schnitzt wurde.
Der Löffel ist wohl der un­ter­schätzte All­tags­ge­gen­stand überhaupt. Ich denke nur an jene, die "die Weis­heit mit Löf­feln ge­fres­sen haben", die sich also als etwas Besseres begreifen.

Aber "den Löffel abgeben" müssen wir am Ende alle, ganz gleich, ob dieser aus Holz, Edelstahl, Silber oder Gold gefertigt wurde. Deshalb finde ich zweistellige Millionenjahresgehälter, Abfindungen oder Sonderzahlungen schon immer kaum verständlich.

Womit ich wieder beim "goldenen Fallschirm" und anderen Extrazahlungen für Manager wäre. Vor vielen Jahren erzählte mir ein deutscher Manager mal am Ran­de einer Konferenz, dass bis vor der Zeit um den Mauerfall Managergehälter, die mehr als 20 oder maximal 30 Mal dem Durchschnittsgehalt der Mitarbeiter ent­spro­chen hätten, von den Banken als unsolide eingeschätzt worden seien. Ein Un­ter­neh­men eines derart über­be­zahl­ten Managers habe nicht als kre­dit­wür­dig ge­gol­ten, denn ein solcher In­du­strie­ka­pi­tän könne ja wohl kaum die langfristige Wett­be­werbs­fähig­keit eines gesunden, an In­no­va­tio­nen arbeitenden Unternehmens im Blick haben, son­dern auf schnelle Rendite im lau­fen­den Wirtschaftsjahr und die eigenen Boni abzielen.

Heute sind diese Manager oft nicht mehr Eigentümer oder Miteigentümer der Fir­men, die sich immer seltener in Familienbesitz befinden. Auch das erklärt eine auf kurzfristige Ergebnisse ausgerichtete Geschäftspolitik. Die anderen, die Fir­men­len­ker mit dem kostbaren Taufgeschenk, hatten einst (oder haben noch) eben immer auch den nächsten Goldlöffelschreihals im Blick. Nein, das ist keine Lobhudelei alter Zeiten, nur eine Feststellung.

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Foto: C.E.

1 Kommentar:

André hat gesagt…

Vor allem wenn man für Versagen auch noch mächtige Belohnungen bekommt.