Donnerstag, 9. August 2012

Übersetzer bei der EU

Bonjour, Hello, guten Tag! Sie lesen Zeilen des ersten deutschen Blogs, der auf den beengten zwei Quadratmetern einer Dolmetscherkabine entsteht oder im großzügiger bemessenen Übersetzerbüro. Hier beschreibe ich, was mir bei unserem Arbeitsalltag auffällt ... und berichte über den Berufsstand der Sprachmittler auch in der Presse.

SZ/Karriere: Es fehlt an der Sprache
In der Süddeutschen Zeitung von gestern schrieb Martin Winter einen längeren Artikel mit dem Titel "Übersetzer bei der Europäischen Union", der mit "Es fehlt an der Sprache" unterschrieben ist. Tenor des Artikels: Der EU fehlen gute Übersetzer für die 23 Amtssprachen. Vor allem Englisch-Muttersprachler seien rar. Zudem gebe es ein deutsches Sprachproblem.

2500 Spracharbeiter übersetzten allein für die EU-Kommission, 2011 hätten diese 2,2 Millionen Seiten übersetzt. Es sei inzwischen schwierig geworden, Englisch-Übersetzer anzuheuern. Da in England Sprachunterricht nicht mehr Pflicht sei, gebe es kaum noch Sprachkundige. Der Übersetzerdienst der EU stelle aber nur ein, wer zwei fremde Sprachen perfekt beherrscht. Die großen Sprachen seien noch recht gut vertreten, Sorgen machten die kleinen Sprachen.

Die deutschen Bewerber (und offenbar auch aktiven Übersetzer) fielen zudem durch unzureichende Kenntnisse der (ach so komplizierten!) deutschen Sprache auf. Das sei "sogar den Bundestagsabgeordneten aufgefallen, die sich kürzlich darüber beschwerten, dass ihnen aus Brüssel ziemlich schlechte Übersetzungen europäischer Vorlagen zugingen." Nicht zuletzt sei die hohe Konkurrenz um gute Kräfte zu beklagen, die durch die Wirtschaft entstehe. Brüssel bezahle seine Übersetzer nicht so gut wie diese, könne dafür aber langfristige, sichere Beschäftigungsverhältnisse anbieten.

Interessant sind auch die ersten Kommentare. So berichtet ein Chinesisch-Übersetzer und Inhaber einer Übersetzungsagentur: "Mittlerweile ist es so, dass die EU bei ihren Ausschreibungen gern auf den günstigsten Anbieter zurückgreift — trotz aller Beteuerungen, bevorzugt an kleine und mittlere Übersetzungeagenturen auszusourcen. Bei den günstigsten Anbietern wird man aber lange auf ausreichende Qualität warten müssen, das zeigt die Erfahrung."

Außerdem seien im Zuge der Globalisierung die Honorare für Übersetzer in den letzten zehn Jahren um ca. 10-20 % |gefallen| gesenkt worden. In Kaufkraft übersetzt bedeute dies, so der Kommentator, dass ein schriftlich arbeitender Sprachmittler 2012 "für die selbe Arbeit nur halb so viel einkaufen kann wie im Jahr 2000." Bei Chinesisch sei die Lage weitaus dramatischer: "Für Chinesisch hat sich der mir angebotene Preis auf ein Drittel bis Viertel dessen verringert, was damals möglich war."
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