Dienstag, 7. August 2012

Flüsterübersetzer

« Bienvenue !» Absichtlich oder zufällig sind Sie auf den Arbeitstagebuchseiten einer unter anderem in Berlin lebenden Übersetzerin für die französische Sprache gelandet, die daneben auch als Dolmetscherin für Kino, Filmwirtschaft, Medien, Politik und Wirtschaft tätig ist. Regelmäßig werden wir nach unterschiedlichen Dolmetscharten gefragt.

Dolmetscherin mit Mikrofon inmitten einer diskutierenden Gruppe, die auf Stühlen im Kreis sitzt.
Simultan dolmetschen und sich dabei schnell
Notizen für die Lexik machen
Neue Anfrage: "Würden Sie überhaupt für uns auch als Flüsterübersetzerin arbeiten?" Ich muss grinsen: So viele "Üs" in einem Satz. Außerdem stelle ich mir einen Übersetzer vor, der vor sich hinflüstert, während er oder sie übersetzt. Denn "Flüsterübersetzer" gibt es nicht, geschenkt! Das Wissen um den Unterschied zwischen Übersetzen und Dolmetschen ist kaum verbreitet.

Der oder die Flüsterer sind Dolmetscher, denn dieser Beruf wird mündlich ausgeübt, Übersetzer arbeiten schriftlich. Noch zwei Unterschiede: Hier die Hektik der Dolmetscherei, dort die (mitunter relative) Ruhe und das Kämpfen mit deadlines der Dienstleister des geschriebenen Worts.

Die unterschiedlichen Aufgabenfelder der Dolmetscher und Übersetzer lassen sich auf ein- und denselben Gestus zurückführen: mit Sprache Inhalte und kulturelle Unterschiede zu vermitteln. Doch nehmen die Unterschiede mit den Spezialisierungen zu. Heute ist es nicht falsch, von unterschiedlichen Berufen zu sprechen. Mancher, wie ich, bezeichnet sich als "Übersetzer und Dolmetscher". Aber Obacht, nicht alle Übersetzer dolmetschen auch, viele schrecken vor der geforderten Schnelligkeit und der damit verbundenen Hektik zurück, nicht alle Dolmetscher übersetzen auch, etliche empfinden die Einsamkeit der Schreibstube als belastend.

Ich stimme mit Jürgen Stähle überein, dass Dolmetscher regelmäßig auch übersetzen sollten, damit die Neuronen möglichst vielfältig arbeiten und täglich die Geläufigkeit im Umgang mit den Idiomen schulen. Stähle: "Ein guter Simultandolmetscher kann nur sein, wer ein exzellenter Übersetzer ist." (Den Anfang seines famosen Buchs kann man hier lesen.)

Mit der Arbeit an Texten sind oft weitere Profile verbunden: Korrekturlesen (überwiegend formal), Lektorate (überwiegend inhaltlich), Terminologiearbeit, Lokalisierung von Webseiten, Texten, Untertitelung, Übersetzung für Voiceover, Transkribieren. Mit der Arbeit an gesprochener Sprache sind verbunden: Beratung (und Auswahl von Kollegen für Konferenzen), Begleitdolmetschen und in selteneren Fällen, im Rahmen der Festivalarbeit, auch Moderation. Naja, und nicht zu vergessen das Flüstern, das oft beim Begleiten von Gruppen anfällt, entweder mit einer Flüsteranlage für viele, oder aber mit kleinsten Delegationen.

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Foto: privat
Filmtipp: "Die Flüsterer" von David Bernet

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