Eine Dolmetscherstunde kostet im Verkauf um die 120 Euro. Oft werde ich gefragt, ob es nicht günstiger sein kann, und ja, es kann. Je nach wirtschaftlichen Möglichkeiten oder sozialen Gegebenheiten berechne ich (deutlich) weniger, auch Berliner Gerichte zahlen nicht so viel. Ähnlich verfahre ich mit spannenden Drehbuchübersetzungen junger (unterfinanzierter) Produzenten ...
Diese differenzierte Preisgestaltung kann ich mir nur deshalb leisten, weil ich auch volle Preise zahlende Kunden habe, denen ein halbstündiger Einsatz 800 Euro wert ist, dem allerdings konkret ein halber Tag Vorbereitung bzw. meine mehrjährige Beschäftigung mit dem jeweiligen Thema vorausgegangen sind. Diese Kunden zahlen so viel, weil sie wissen, dass jahrelange Berufsroutine dahintersteckt. Für sie zählt bei einem kurzen, wichtigen Einsatz einzig und allein die Qualität des Geleisteten. Und ihnen ist bewusst, dass ich für nämlichen Tag zumeist keinen zweiten Auftrag mehr annehmen kann, dass der Tag also "weg" ist, selbst wenn ich netto nur eine Stunde gedolmetscht habe.
Bei uns Übersetzern und Dolmetschern hängen die Preise also immer mit echter Arbeit und auch mit Einschätzung der Vermögensverhältnisse unserer Kunden zusammen. Das Wort Einschätzung kommt von "Schätzung". Im persönlichen Umgang bringe ich allen Kunden die gleiche Wertschätzung entgegen, ganz gleich, wie hoch oder niedrig die Honorarforderung am Ende sein wird.
Warum der Preis der Dolmetscherstunde dennoch so hoch sein muss, lässt sich leicht erklären. Ähnlich wie Anwälte haben Dolmetscher und Übersetzer lange Ausbildungszeiten, also Phasen, in denen sie nichts oder wenig (in anderen Berufen) verdienen. Und die Qualität der Einsätze, ob gut oder schlecht bezahlt, steht und fällt mit der Vorbereitung. Auf eine Dolmetscherstunde kommen eine bis acht Stunden, in denen ich mich auf dem Laufenden halte, Hintergründe recherchiere und lerne, konkret für einen Termin übe, Rechnungen schreibe oder das Büro verwalte. Das relativiert den Preis der Einzelstunde.
Und so bilde ich mich jeden lieben Tag, den sich die Erde um die Sonne dreht, weiter. Ich lese Hintergründe, Aktuelles und Belletristik. Ich höre französisches Radio und sehe französischsprachige Filme, Theaterstücke und besuche auch Diskussionsrunden und Lesungen, die mit meinen Sprachen zu tun haben. Ich treffe mich mit Freunden, die verschiedenste Idiome sprechen, und bin da seit jeher mit Notizbuch in der Hand bekannt.
Kurz: Die Mehrzahl meiner Arbeitsstunden ist unbezahlt, und die Arbeit lässt sich oft nicht mehr vom Privatleben trennen. Nur manchmal ist es eindeutig. Seit vier Tagen (Wochenende inklusive) lese ich zum Beispiel jeweils zwei bis drei Stunden zu Wirtschafts- und Börsenthemen, und zwar Print- und Onlinepublikationen, drucke aus, streiche an, ergänze. Dann habe ich eine Vokabelliste angelegt, einige schwere Fälle auf Karteikarten übertragen. So, weiter im Text: Leerverkäufe, Euro-Bonds, Kreditausfallversicherung ...
______________________________
Foto: C.E. (Archiv)
Kurz: Die Mehrzahl meiner Arbeitsstunden ist unbezahlt, und die Arbeit lässt sich oft nicht mehr vom Privatleben trennen. Nur manchmal ist es eindeutig. Seit vier Tagen (Wochenende inklusive) lese ich zum Beispiel jeweils zwei bis drei Stunden zu Wirtschafts- und Börsenthemen, und zwar Print- und Onlinepublikationen, drucke aus, streiche an, ergänze. Dann habe ich eine Vokabelliste angelegt, einige schwere Fälle auf Karteikarten übertragen. So, weiter im Text: Leerverkäufe, Euro-Bonds, Kreditausfallversicherung ...
______________________________
Foto: C.E. (Archiv)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen