Mittwoch, 4. Februar 2009

Akustisches Arbeitsumfeld

So ein Dolmetscherarbeitstag kann verdammt lang sein - und manche Geräuschkulisse auf Dauer ziemlich zermürbend.

Berlin, am Potsdamer Platz. Kurz, bevor hier wieder der Bär steppt, werden die Filmstarts der Zeit nach der Berlinale vorbereitet. Wir sitzen in einer Lounge im ersten Stock eines schicken Hotels, hinter uns läuft Wasser über Mosaiksteine aus Glas, in die goldfarbenes Metall eingeschlossen ist. Ein Teil der Lounge gehört den Frühstücksgästen - ein anderer, der im hinteren Bereich etwas geschützt liegt, uns. Es sind nicht viele, die hier frühstücken. Die Arbeit beginnt, vor dem Filmstart müssen ein bis anderthalb Dutzend Interviews mit Pressevertretern absolviert werden. Also sitzen hier im 20-Minuten-Takt drei Journalisten, ein Regisseur, eine Dolmetscherin im Rund und reden.

Der vordere Bereich des Raum leert sich sukzessive, und als Klirren und Geklapper von Geschirr und Besteck verklungen sind, hören wir die 'ambiance music' besser, die uns aus versteckten Lautsprechern berieselt. Wir sind fast die einzigen Gäste hier, deshalb bitte ich den Kellner, die Musik leiser zu stellen.

Später kommen wird Mittagessen serviert: Tellerklappern, Gläserklirren, Gespräche, irgendwann meine ich, sogar zu hören, wie eine Zeitung umgeschlagen wird, deren Papier sich sträubt. Der Musikteppich, über die die Kellner herbeischweben, wird nun wieder breiter ausgerollt. Gastronomen arbeiten nach dem Motto: Das Gespräch vom Nebentisch darf nicht hörbar sein. Die akustische Diskretion der einen ist der Dauerstress der anderen ...

Dann kommen die Fernsehinterviews dran. Wir ziehen um in eine extra angemietete Hotelsuite im Obergeschoss. Was für eine Erholung! Arbeit im ruhigen Umfeld, wie leicht plötzlich alles fällt. Wie sehr mich der Morgen unterminiert hatte, wird mir aber vollständig erst bei Rückkehr in die Lounge bewusst. Wir haben eine längere Pause, dann schließt der Tag mit den letzten Interviews "unten" ab. Am Nebentisch hat ein Paar mit Kind Platz genommen. Die Stimmung zwischen den Erwachsenen ist auf viele Meter Entfernung sichtbar schlecht, das Kind entsprechend quarrig. Der Kellner wechselt die Lounge-Musik und dämpft das Licht. Jetzt heißt es nur noch Augen zu und durch! Zum Glück hat die PR-Agentin die akustische Tortur des Tages ähnlich empfunden. Wie schön, hier werden wir also in diesem Team nicht mehr arbeiten.

Als ich das Haus verlasse, ist es Nacht und mir brummt der Schädel.


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Foto: Regisseur Jean-François Richet und die Autorin

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