Alte Bekannte werden dieses Jahr auf der Berlinale erwartet: François Ozon, der seit unserer letzten Zusammenarbeit ca. 2002 leider die englische Sprache gelernt hat, Claude Chabrol, der sein gutes Englisch mindestens “seit vier Filmen” vergisst, seine guten Manieren nie, und zu denen gehört, Interviews nur in seiner Muttersprache zu geben. Und Christophe, einer unserer Koproduzenten, denn durchschnittlich alle zwei Jahre koproduzieren wir einen Film. Ich wurde erst durch ein Zweitstudium zur Dolmetscherin, und weil ich lange im Filmsektor gearbeitet habe, konnte ich mich auf Medien und Festivals spezialisieren.
Meine Zeit bis zur Eröffnung des Festivals ist dieses Jahr knapp bemessen. Wie 98 % der Berliner hatte ich die letzten Wochen mit Viren & Co. zu kämpfen. Jetzt stecke ich im Vorbereitungsstau. Ich muss also am besten gleichzeitig: Fachvokabular hervorkramen (4K-Abtastung, anamorphotische Vorsatzlinse, Lavendelkopie, Nur-Ton, Nicht-Kopierer, Blimp ... ); Anzüge von der Reinigung holen, neue Schuhe einlaufen, Gästebetten beziehen, einkaufen, vorkochen (deftige Berlinale-Eintöpfe und Pastasaucen fürs Gefrierfach), Frisörtermin machen, Visitenkarten nachbestellen, Einladungen prüfen (dieses Jahr ist fast nichts eingegangen! Finden alle Parties im kleinen Saal statt?)
Dann kommen die ersten Anfragen: Kostenvoranschläge schreiben, erste Termine zusagen, Filme auf Scheibe gucken, sogenannte Screener. Normalerweise sehe ich den halben Januar hindurch täglich zwei Filme, genieße die Pre-Berlinale, denn die im Vorfeld stattfindenden Pressevorführungen werden auch von inhaltlich arbeitenden Berlinale-Kollegen gern genutzt. In diesen Wochen werden auch Telefonate mit Freunden länger. Denn in den acht Kerntagen der Berlinale lebe ich in Berlin wie auf Dienstreise, wohne zu Hause, als wär's ein Hotel: Alles ist vorbereitet, zurechtgelegt und praktisch für die wenigen Stunden, die ich hier verbringen werde.
Meine Logiergäste reisen an, wenn es mit den Dolmetschjobs losgeht. Sie sind Filmschaffende aus "Westdeutschland", wie Menschen meiner Generation sagen, und müssen mich seit Jahren abends beim letzten Job "einsammeln". Nach manchmal bis zu sieben Stunden netto Dolmetschen am Tag ist meine Wahrnehmung eingeschränkt, große Müdigkeit wirkt wie viel Alkohol im Blut, da brauch' ich Bodyguards.
Zwischendurch werde ich hier aber regelmäßig etwas flüstern. Keine Scoops, aber ein wenig Berlinale von Innen. Eben rief die Agentin an, Chabrol kommt und bekommt mich als "Zweitstimme". Na, wird doch!
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