Freitag, 6. Februar 2009

Berlinalegflüster III

Treffen sich zwei auf der Berlinale - der erste Blick geht ins Gesicht, der zweite Richtung Brust. Für mich als Frau war das gewöhnungsbedürftig. Aber mittig auf des Rumpfes Vorderseite prangt bei den Teilnehmern der Festivalausweis. Und der liefert neben dem Namen des Gegenübers Infos über dessen Beruf und Position im soziologischen Feld. Außerdem ist das daneben abgebildete Konterfei - nicht selten ein Jugendbildnis - ein hübscher Anlass für die ersten Worte.

Erste Worte, wie wir sie gestern auf einer Nebenparty der Berlinale-Eröffnung auch mit Christine wechseln, einer freien Fotografin. Wir stehen in der Chill-out-zone von Teammitarbeitern, Dienstleistern und Filmnachwuchs: In der home base, nur wenige Schritte vom Potsdamer Platz entfernt. Und sinnieren einmal mehr über die verschiedenen Kategorien von Festivalausweisen. Es gibt derer etliche mit charmanten Namen wie "Fachbesucher 63", für die jeweils ein bestimmtes Kartenkontingent reserviert ist, und wer zu spät in der Schlange steht, den bestraft die begrenzte Auswahlmöglichkeit. Doch bleiben immer noch etliche kartenfreie Vorführungen im Angebot, so dass auch hier die Wahl oft eine Qual ist.

Seit einigen Jahren bin ich ein Streifenhörnchen. Inhaber von Ausweisen mit roten Streifen kommen ohne Ticket hinter fast jede Tür, denn sie holen Gäste oder Material ab, besprechen Moderationen oder gehen zum Einsatz. Nur: aufgrund des Arbeitspensums hat unsereiner oft keine Zeit, viele Filme zu sehen. Dabei gehört auch das zum Programm - Kuratoren, Moderatoren, Katalogredakteure und Dolmetscher müssen viel sehen, ihr Auge schulen, eine solide Filmkultur erwerben. Wenn also Pausen entstehen, darf ich, sofern er nicht 'ausverkauft' ist, auch noch rasch in einen Film gehen.

Wer darf wo rein? Das ist DIE zentrale Frage der Berlinale, bei der auch immer Neid mitschwingt. Die anderen begehrten Karten sind Einladungen zu Empfängen. Viele Jahre bin ich abends unterwegs gewesen, bis das Dolmetschen zur Hauptaufgabe wurde. Wer mit der Stimme arbeitet, fürchtet Räume mit tabakgeschwängerter Luft. Denn die schlägt mir immer gleich auf die Stimme. Wenn ich also tags drauf nicht klingen möchte wie Zarah Leander aus dem Jenseits, darf ich nicht lang bleiben - oder am besten erst gar nicht hingehen. Die Veranstalter haben das gemerkt und mich nicht mehr eingeladen. Und wenn ich anmerkte, dass öffentliches Rauchen minderheitenfeindlich sei, kam als Antwort: "Du kannst ja zu Hause bleiben und ein Buch lesen!" So saßen die schwangere Sandra, der asthmatische Holger und ich zu Hause und lasen dann mal ein Buch.

Seit einem Jahr schreibe ich den Veranstaltern, um wieder auf die Listen zu kommen. Aber das ist gar nicht einfach, zumal dieses Jahr etliche Parties aus finanziellen Gründen gestrichen oder verkleinert wurden. So jedenfalls Christine, die freie Fotografin aus der home base. Die Finanzmarktkrise hat die Berlinale erreicht.

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