Heute, weil Wochenende ist, kein aktueller Bericht, sondern etwas Vorbereitetes. Eine Antwort auf die oft gestellte Frage, wie ich zur Berlinale-Dolmetscherin wurde.
Als Kind aus Deutschland lernte ich Französisch mit südfranzösischem Akzent. In den Ferien war ich wie ein Schwamm, sog alles auf. Im Grunde war ich kein Kind mehr, I was thirteen years old, das erste Jahr "teenager". Und so wurde ich lange, bevor ich wusste, was ich werden wollte, mit dem Dolmetscherberuf konfrontiert. Die Bäckerin in Avignon wusste mehr. Bei ihr kaufte ich auf dem Weg zur Feriensprachschule ein. Ich ließ sie die Worte so lange aussprechen, bis auch ich sie sprechen konnte, schrieb sie dann beim nächsten Mal auf. " Vous voulez devenir interprète ?", fragte sie bei der ersten Begegnung, danach hieß es nur noch: "Voilà, unsere kleine Dolmetscherin!"
Die französische Sprache ist in meiner Familie seit Generationen präsent, aber erst mit acht fing ich an, sie zu lernen. Dann wollte ich aufholen und begann, allein zu verreisen. Später, bei den Klassenfahrten, durfte ich auf dem Schulhof immer die Kommunikationsrückstände der anderen klären und dolmetschen. Wenig später wechselte ich auf ein Gymnasium mit französischem Zug, studierte dann in Paris.
Als die Mauer fiel, hatte ich gerade erste Medienerfahrungen gemacht. Auslöser war, dass mein Deutsch immer mehr wie eine Fremdsprache klang. Also machte ich 1988 ein Praktikum beim Sender Freies Berlin, entdeckte zugleich auch Ostberlin. Väterlicherseits aus Sachsen stammend, hatte ich dort den anderen Teil der Ferien verbracht, DEFA-Filme gesehen, DDR-Literatur gelesen, das Neue Forum entstehen gesehen.
So studierte ich im Jahr vor dem Mauerfall in einem binationalen Studiengang der Sorbonne vergleichende Landeskunde und Kulturwissenschaft, schrieb über den Theaterdichter Heiner Müller eine Seminararbeit. Einer meiner Profs, der selbst gelegentlich Filme drehte, regte an, daraus ein Filmprojekt zu entwickeln, das dann Herbst 1989 bei Pierre-André Boutang auf dem Tisch lag, einem der wichtigsten französischen Dokumentarfilmredakteure. Den Mauerfall und die Entwicklungen danach habe ich aus Sicht der französischen Medien gesehen und half mit Vorwissen, das zu Fragen wurde - nur war es nicht immer leicht, an den Wissensstand der französischen Kollegen anzuknüpfen.
Ähnlich rutschte ich ins Filmdolmetschen rein. 1994 gab es in der heute geschlossenen "Filmbühne am Steinplatz" eine Truffaut-Retrospektive. Vorne saß Robert Fischer, der heute beim Filmfest München arbeitet, und moderierte und dolmetschte gleichzeitig die Gäste. Der Mann tat mir leid. Ab dem zweiten Abend saß ich mit auf der Bühne. Ebenfalls '94 sah ich im Kino Arsenal einen französischen Stummfilm. Der Verleih hatte die falsche Kopie geschickt, die Texttafeln waren auf Französisch. Als ich des allgemeinen Rätselratens überdrüssig wurde, bot ich, geschützt vom dunklen Raum, meine Hilfe an. Beim Verlassen des Kinos kam Milena Gregor, die Tochter der Gründer dieses Kinos, hinter mir hergerannt und bat mich um meine Adresse, die werde man sicher noch brauchen ...
Ich hab vorhin ein wenig angegeben. Ich wurde 14, als ich ganz allein in Avignon war. Den südfranzösischen Akzent von dort habe ich dann ganz schnell wieder abgelegt. Die dort verstärkte Liebe zum Theater nie, ich habe sie nur aufs Kino erweitert.
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