Donnerstag, 10. Februar 2011

Die Unvermeidlichen ...

... nennt die aus Österreich stammende Theaterautorin Kathrin Röggla ihr neu­estes Stück, das der Arbeit von Konferenzdolmetschern gewidmet ist. Es wurde letzten Sonntag im "Studio Werkhaus" des Mannheimer Nationaltheaters ur­auf­ge­führt.

"Die Unvermeidlichen", so tuscheln sich die Dolmetscher auf dem Gang hinter den Kabinen zu, würden sie selbst von manchen aus dem Protokoll genannt, so steht es zumindest im Theaterstück über den internationalen Politikbetrieb, bei dem nicht ein einziger Politiker zu Wort kommt. Denn das Bühnengeschehen wird konsequent aus Dolmetschersicht erzählt. Ich habe es gerade gelesen.

Herren in Anzügen aller Schattierungen von Mausgrau und die Damen eher unscheinbar, so sieht uns die Dichterin. Das Stück ist, wie sollte es anders sein, polyphon an­ge­legt aber einsprachig. Viele ursprünglich fremdsprachige Menschen, die Rol­len­na­men heißen "die Chinesin" oder "der Fran­zo­se", sprechen hier auf Deutsch ihre Gedankensoli, Klatschduette und im Chor. So entsteht auf der Bühne exemplarisch und mit vielen Einschüben und Brüchen ein möglicher (?) Konferenztag, bei dem es sich für die Dolmetscher ebenso oft um Ei­fer­süchteleien und zu spät kommende Kol­le­gen dreht wie um Redner, die sich in der Grammatik ihrer Schachtelsätze verfransen oder ohne Pause sprechen.

Ich hätte mir das Stück gern angeschaut, das verschiedene Lektüreebenen und da­mit Inszenierungmöglichkeiten anbietet. Zwischendurch fällt ein Redner in Ohn­macht, keiner beachtet das, der Podiumsbetrieb geht weiter, am Ende erstürmen Demonstranten das Konferenzhotel und alles erstarrt in Reglosigkeit, die sich vom Austausch der Floskeln, die den Konferenztag beherrscht, auch nicht groß ab­zu­he­ben scheint. Hier wird ein Politikbetrieb dargestellt, der sich längst im Gestus der Repräsentation verloren zu haben scheint.

Mir persönlich hat neben der symbolischen Politik, die ich so noch nie beschrieben gesehen habe, natürlich besonders gut gefallen, wenn die Frage nach dem Vor­be­rei­tungsmaterial gestellt wird, das genauso fehlt wie der Sauerstoff in den schall­dichten Kabinen, oder wenn nach getaner Arbeit die Verwirrung des Dol­met­scher­hirns zur Sprache kommt, das auf dem Heimweg fröhlich sinnfrei wei­ter­dol­metscht — bis hin zu Texten von Straßenschildern und Plakatwänden.

Die Fachzeitschrift "Theater der Zeit" hat das Stück in voller Länge abgedruckt (Februar-Heft). Es ist ein Auftragswerk, mehr zu dem Rahmen der Beauftragung hier (das Programmheft der frankfurterpositionen.de vom Jahr 2011 ist leider Oktober 2012 nicht mehr als .pdf herunterladbar).

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Titelblatt mit Sophie Rois (Foto: CE)

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