Sonntag, 23. Mai 2021

COVIDiary (313)

Ein­blicke in das Le­ben einer Sprach­ar­bei­terin können Sie hier erhalten. Das zweite Pfingsten in Pandemie­zeiten: Wegen nicht komplett funktionsfähiger Fahrräder ist unser Radius gerade begrenzt. Sonntags poste ich private Sonn­tagsbilder.

"Es ist so kalt, daß die Elster auf dem Zaun flötet", weiß das Sprichwort. Pfingsten mit April­wetter, sagt meine Schwester (in der Ferne). Als es mal für Stunden wär­mer wird, hän­gen die Men­schen draußen in Trauben zusam­men. Moment mal, der Coronavirus ist noch nicht am Ende, möchte ich ihnen fast zu­ru­fen. Wir umlau­­fen sie in gro­ßen Bö­gen. Ins­ge­samt hilft das kühle Frühjahrs­wetter wahr­schein­lich bei der Pan­de­mie­be­käm­pfung, die Leute sind unter freiem Himmel mehr in Be­we­gung und at­men bei Still­stand nicht die Atemwölkchen der Mitmenschen ein.

Das blaue Sofa
Der Stehgeiger des Grauens, der sonst den Markt beschallt, seit auf Betreiben mancher An­woh­ner die echten Musiker leider von der Aussichts­ter­rasse am May­bachufer vertrie­ben worden sind, nämlicher Steh­geiger des Grauens stresst uns Nach­barn jetzt sogar das Wochen­ende hindurch mit seinem ta­lent­­losen Gefiedel. Er ist auf dem Foto ganz links oben zu sehen. We­nigs­tens wech­selt er ab und zu seinen Standort.
In seiner Gegenwart zu schla­fen, kann ich mir allerdings ganz und gar nicht nicht vor­stel­len.

Das akkurat hinzuge­stellte blaue So­fa zeigt hier zwei Probleme der deutschen Haupt­stadt auf einmal auf. Weil Berlin sich zu fein ist, Sperrmüll­ta­ge zu ver­an­stalten, wird ständig die gute Stube vollgerümpelt. Bevor das Sofa nass­regnet, schenkt es wenigstens einem Men­­schen etwas Ruhe. 

Die blaue Taschenlampe

Mich nervt, dass die Politik For­schungs­er­gebnisse in so vielen Feldern nicht wahr­nehmen will. Warum gibt es in Deutschland immer mehr Obdachlose? Seit 1966 (1976) ist Wohnen ein verbrieftes Menschenrecht

In Deutsch­land ist die vergeigte Wohn­politik das eine, die Ver­achtung der Armen das andere. Dabei gibt es schon lange Pro­gram­­me wie Housing First, die gesamtgesell­schaft­­lich weniger kosten, als die Men­schen in der Ob­dach­lo­sig­keit zu belassen. Schon 2013 hat die EU dazu eine Studie kofinanziert. 

Warum wurden nach 2015 die Not­quartiere für die Ge­flüch­tete nicht gleich so ge­baut, dass aus ihnen mit we­ni­gen Zusatz­investitionen echte Woh­nungen hätten werden können, kleinere Ein­hei­ten zu günstigen Preisen, ge­mischt mit Mehr­gene­ratio­nen­ein­hei­ten und auch ganz han­dels­üb­li­chen Wohnungen, um Ghettobildung zu vermeiden?

Tagsüber die Hände in Gartenerde gehabt; abends langanhaltendes, großes Staren- und Elstergeschrei über dem Dachfirst; wer hat hier wessen Gelege ausgehoben?

Am Wochenende gelesen:
Bode, Thilo: Die Essensfälscher: Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller legen, Frankfurt, Fischer, 2010
Haldimann, Urs u.a.: Unser täglich Fleisch: So essen wir die Welt kaputt, Zürich Unionsverlag, 1992

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Fotos:
C.E.

1 Kommentar:

Armgemacht hat gesagt…

Armut und Wohnungslosigkeit sind politisch gewollt, weil sie einen abschreckenden Effekt haben sollen.