Französisch-Kabine in Berlin |
Wenn der Staat baut, werden Bedarfe ermittelt, Nutzer befragt, Wege gezählt, Vergleichsgebäude besichtigt, Fachliteratur gewälzt.
Nur die Dolmetscherkabine, sofern sie fest eingebaut wird, erfindet gefühlt jeder zweite Architekt neu. Sie sind ja auch so genial, dass sie auf einen Blick sehen, was unsereiner so braucht.
Hier: einen schönen Fensterrahmen. Ich frage mich, warum dieser nicht aus geschnitztem Holz ist. Die Scheiben sind doppelt, großartig, ohne Kopfhörer hören wir vom Saal fast nichts. Wenn wieder jemand im Publikum das Wort ergreift, ohne sich eines Mikrofons zu bedienen, können wir uns allerdings nicht durch lautes Klopfen auf die Scheibe oder Winken bemerkbar machen. Die Scheibe ist zum Raum hin verspiegelt. Wir sind einfach weg.
Man hätte auch noch ein Vorhänglein links und rechts des Fensters anbringen können. Wandfläche ist dafür ausreichend vorhanden. Wir haben eine unverbaubare Aussicht, une vue imprenable, auf die Fassade d'en face; am Fenster findet die Veranstaltung aber leider nicht statt. Und Podien sind überbewertet! Der Raum hier hat durchaus eines, irgendwo links, da hinter dem Mauervorsprung für den Vorhang und noch weiter links. Vom rechten Sitzplatz aus sieht man vom Podium ca. ein Drittel, vom linken Sitzplatz aus: nichts. Wir sind ja anpassungsfähig.
Man möge sich kurz den Spaß vorstellen, den wir Dolmetscherinnen haben, wenn wir jedes Mal den Platz wechseln, die ganze Klapparatur (Rechner) und die Papiere mit. Und parallel zum fliegenden Platzwechsel übernimmt dann immer jeweils die andere den Dolmetschjob. Jedes Mal verknoten die Kabel etwas mehr, als da wären: (Rechnerkabel mal Kopfhörerkabel) zum Quadrat plus Mikrokabel.
Das geht einige Male so. In der Kaffeepause fällt niemandem auf, dass die Dolmetscherinnen nicht da sind. In der Mittagspause stellt jemand fest, dass sie wohl woanders essen. Als abends die Danksagungen und guten Reisewünsche ausgebracht sind, fällt niemandem auf, dass keine der Dolmetscherinnen noch zum Händeschütteln erschienen ist, so intensiv waren und sind die Fachgespräche.
Wie denn auch. Fest vertäut von den Kabeln, schallisoliert von der Umwelt sitzen heftig winkend zwei ermattete Gestalten in der Box am Ende labyrinthischer Gänge und haben vergessen, dass sie niemand sehen kann.
______________________________
Foto: C.E.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen