Mittwoch, 16. November 2016

3. Arbeitsplatz der Woche: Historische Konferenz

Hier schreibt und denkt eine Übersetzerin und Dolmetscherin, derzeit in Berlin. Ich arbeite aber auch in Paris, Brüssel, München, Hannover und dort, wo Sie mich brauchen.

Französisch-Kabine in Berlin
Wenn Häuslebauer zur Tat schreiten, zählen sie Kinder und Haustiere durch. Sie wis­sen, wer wann zu­hause ar­bei­tet. Sie rechnen über­schlä­gig, wie viele Gäste, Bücher und Kunst­werke das Paar nebst Brut unterbringen müs­sen und be­den­ken, was die Wege ei­nes schmut­zi­gen T-Shirts sein werden. Sie den­ken viel­leicht an den spä­te­ren Aus­zug der Kinder — und ans Alter.

Wenn der Staat baut, werden Bedarfe ermittelt, Nutzer befragt, Wege gezählt, Vergleichsgebäude besichtigt, Fachliteratur gewälzt.

Nur die Dolmetscherkabine, sofern sie fest eingebaut wird, erfindet gefühlt jeder zweite Architekt neu. Sie sind ja auch so genial, dass sie auf einen Blick sehen, was un­ser­ei­ner so braucht.

Hier: einen schönen Fensterrahmen. Ich frage mich, warum dieser nicht aus ge­schnitz­tem Holz ist. Die Scheiben sind doppelt, großartig, ohne Kopfhörer hören wir vom Saal fast nichts. Wenn wieder jemand im Publikum das Wort ergreift, ohne sich eines Mi­kro­fons zu bedienen, können wir uns allerdings nicht durch lautes Klop­fen auf die Schei­be oder Winken bemerkbar machen. Die Scheibe ist zum Raum hin ver­spie­gelt. Wir sind einfach weg.

Man hätte auch noch ein Vorhänglein links und rechts des Fensters anbringen kön­nen. Wand­flä­che ist da­für aus­rei­chend vorhanden. Wir haben eine unverbaubare Aussicht, une vue im­pre­na­ble, auf die Fassade d'en face; am Fenster findet die Veranstaltung aber leider nicht statt. Und Podien sind überbewertet! Der Raum hier hat durchaus eines, ir­gend­wo links, da hinter dem Mauervorsprung für den Vorhang und noch weiter links. Vom rechten Sitz­platz aus sieht man vom Podium ca. ein Drittel, vom linken Sitzplatz aus: nichts. Wir sind ja anpassungsfähig.

Man möge sich kurz den Spaß vor­stel­len, den wir Dol­met­sche­rin­nen haben, wenn wir jedes Mal den Platz wechseln, die ganze Klapparatur (Rech­ner) und die Papiere mit. Und parallel zum fliegenden Platzwechsel übernimmt dann immer jeweils die andere den Dolmetschjob. Jedes Mal verknoten die Kabel etwas mehr, als da wä­ren: (Rechnerkabel mal Kopfhörerkabel) zum Quadrat plus Mikrokabel.

Das geht einige Male so. In der Kaffeepause fällt niemandem auf, dass die Dol­met­sche­rin­nen nicht da sind. In der Mittagspause stellt jemand fest, dass sie wohl wo­an­ders essen. Als abends die Danksagungen und guten Reisewünsche aus­ge­bracht sind, fällt niemandem auf, dass keine der Dolmetscherinnen noch zum Hän­de­schüt­teln erschienen ist, so intensiv waren und sind die Fachgespräche.

Wie denn auch. Fest vertäut von den Kabeln, schallisoliert von der Umwelt sitzen heftig winkend zwei ermattete Gestalten in der Box am Ende labyrinthischer Gänge und haben vergessen, dass sie niemand sehen kann.

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Foto: C.E.

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