Mittwoch, 9. November 2016

Mauerbauer

Bon­jour, hello, guten Tag! Hier schreibt ei­ne Fran­zö­sisch­dol­met­sche­rin und -über­set­ze­rin Randnotizen aus dem sprachbetonten Alltag auf. Ich übersetze auch aus dem Englischen. Mein Morgenenglisch (BBC 4 vor dem Aufstehen) war heute nicht so erbaulich.

Aufgewacht bei Morgengrauen. Mit Morgengrauen.

Schales Gefühl: 1989 haben wir uns auch schon gefragt, warum immer dieser Tag? Am 9.11.16 ist also in den USA ausgezählt, ein Mauerbauer wird die nächsten vier Jahre dieses Land regieren. Seine Reden, sein Brüllen, die Hasstiraden gegen Frau­en, Moslems und Schwache, sein Vereinfachen, Verdrehen (Leugnen der men­schen­ge­mach­ten Klimafolgen) und Hetzen hat immer wieder an ganz andere Redner er­in­nert. Was Hass und ein Sich-Hinwegsetzen über Men­schen­rechte anrichten, sehen wir in der Türkei, in Ungarn, in Polen, jedes Land auf sei­ne Weise.

Populismen versus angeschlagene Demokratie, "gefühlte" Post­fak­tis­men vs. Fakten, Antiintellektualismus vs. Aufklärung, ein Maulheld des frau­en­ver­ach­ten­den Trash-Fern­se­hens vs. die (von Lobbyisten und Finanzindustrie an­ge­schla­ge­ne) Bedeutung des Amts ... und das Rad der Ge­schich­te fröhlich zu­rück­ge­dreht (drohende Le­ga­li­sie­rung von Folter in den USA und der Todesstrafe in der Türkei usw.), das sind al­les keine gute Perspektiven für die USA und den Rest der Welt.

Die so oft beklagte Trägheit des Beamtenapparats und der Institutionen erweist sich hier paradoxerweise als Hoffnungsschimmer. 

In Berlin-Kreuzberg
Zweiter Lichtstreif: Angesichts der Abgründe, die in ge­wis­sen Wahl­k(r)amp­freden zu hören waren, wird hoffentlich Europa enger zu­sam­men­rücken, viel­leicht doch den Auftrag seiner Bürger ernster nehmen und nicht mehr in erster Linie eine Politik für die Großen (Industrie, Handel, Ag­rar­in­dus­trie) ma­chen.


Und ich denke jetzt an die Dolmetscherinnen und Dolmetscher, die die Reden des Neugewählten übertragen müssen. Er hat oft Sprachniveau und -duktus eines trot­zen­den Kleinkinds. Das wäre für mich ein komplett neues Wortfeld (hab das alles schon wieder vergessen).

Former german president Richard von Weizsäcker said in 1985: Don't believe we became better people. We just know now what the human kind is capable of and we have the duty to prevent this continual threat which exists in each of us, in every country, by making the remembering of the past the guideline of our po­li­tics. We should all make more room to history in medias, politics, houses and schools. We should.

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Merci à Géraldine Schwarz für die eng-
lische Fassung des Weizsäcker-Zitats.

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