Sonntag, 1. Mai 2016

Hört auf diese Stadt

Beim Lesen eines Textes kam Ihnen heute etwas spanisch vor? Mit dieser Sprache können Ihnen Kolleginnen und Kollegen weiterhelfen, mein Fach sind da eher Französisch und Englisch. Bei Fragen zu unserer Arbeit leihe ich Ihnen gerne mein Ohr. Hier bloggt eine Dolmetscherin und Übersetzerin über den Arbeitsalltag. Heute: Sonntagsfoto!

Riesenohr, Zementwerk im Hintergrund
Am Puls der Zeit
Kundenanruf, ein Angebot von uns kam der Empfängerin komisch vor, nur leider war es deshalb komisch, weil sie ihre Erwartungen nicht vorab mit der Realität abgeglichen hatte. Unsereiner muss dann "Samtohren" haben, den Subtext mit­hö­ren, Fragen stel­len, die Ge­sprächs­part­ne­rin erstmal vor­sich­tig einen Schritt zu­rück­tre­ten lassen.

Jahrelanges Training hat uns geschult, und die Dolmetscharbeit sowieso. Subtexte bekommt unsereiner immer schneller mit als andere. Das kommt sicher vom Beruf.

Wir müssen uns ja immer stark in andere hineinversetzen.

Mittagspause am Rande Kreuzbergs am ersten wirklich sonnigen Tag des Monats April. Das große Pappmaché(?)ohr sticht mir ins Auge. Es scheint meine Ar­beits­wo­che zu symbolisieren: Verhandlungen, die mit Samtohren (und Samthandschuhen) zu führen waren, unterschiedliche O-Töne sowie direkte Berichte aus der Arbeit mit Geflüchteten — von den Betroffenen selbst. Außerdem: Förderung eines Pro­jek­tes von Migranten und Geflüchteten für die eigene Zielgruppe.

Hört auf diese Stadt! Was Berlin dem Rest der Republik voraus hat, ist die Er­fah­rung mit Zu­ge­wan­der­ten in großer Zahl. Es gibt gute und schlechte Beispiele; aus allen ist zu lernen.


Vokabelnotiz  
prête-moi ton oreille (wörtlich: leih' mir dein Ohr) — hör' mal (ge­nau) zu
ins Auge stechen  — (visuell) auffallen —sauter aux yeux (in die Augen springen)
jemanden mit Samthandschuhen anfassen — mettre des gants avec qn. [fam] (bei jemandem die Handschuhe anziehen)
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Foto: C.E.

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