Dienstag, 10. Mai 2016

POV IX: Knitterfrei

Bonjour und gu­ten Tag! Hier bloggt eine Dol­met­scher­in und Über­setzerin. Heute folgt wieder meine Reihe POV, Point of view. Das ist der nur knapp kom­men­tierte sub­jek­ti­ve Blick auf die Spracharbeit — und was damit zu­sam­men­hängt.

Blusen im Schrank
Alles fertig für die Konferenz
Oft leben wir Dolmetscher aus dem Koffer. An den ver­schie­de­nen Orten, an denen ich mei­nen Kopf regelmäßig bette, kümmern sich die lie­ben Mit­men­schen um Post, Pflan­zen und Wasch­ma­schi­nen. Es gibt Wochen, da lebe ich aus zwei Koffern, dem einen, den ich gerade dabei habe, und dem anderen, den ich zur Wei­ter­fahrt unterwegs gegen den ersten tausche.

Wer so lebt, mag irgendwann keine Reinigungen mit ihren beschränkten Öff­nungs­zei­ten mehr. Auch Bügeleisen haben es mir nicht angetan. Schicke Blusen kaufe ich oft im Doppelpack. Im Beruf müssen wir hochwertige Kostümchen und Anzüge tra­gen. Ich lasse sie mir (nach dem Modell eines Lieblingsexemplars) von der Än­de­rungs­schnei­de­rin nachnähen, die das Schneiderhandwerk gelernt hat. Dann kommt auch keine papierartige Gaze zwischen Obermaterial und Futterstoff, die beim Kon­takt mit Wasser im Zweifelsfall sogar den teuersten Anzug schrumpfen lässt. Keine Markennamen!

Die drei weißen Blusen für die drei hochoffiziellen Tage landen im Koffer und im Ho­tel dann gleich im Badezimmer. Ausreichend heißes Wasser in die Wanne ein­las­sen, al­les auf Bügel in den Dampf hängen, Duschvorhang vorziehen, Ba­de­zim­mer­tür zu. Ich habe sogar eine kurze Wäscheleine im Reisegepäck, die sich einhaken und dann mit Saugnapf an der Fliesenwand festmachen lässt. (Und nein, der Saug­napf hat noch nie nach­ge­ge­ben. Für den Fall der Fälle habe ich noch ein elegantes weißes T-Shirt im Gepäck.)

Danach ist alles wie frisch gebügelt und kann dann bei offener Schranktür wieder trocknen. Wichtig: Hinterher Badezimmertür (und, falls vorhanden, -fenster) offen stehen lassen und lüften. Leinen, eine leicht strukturierte Seide und ein Baum­woll­misch­ge­we­be (3 % "was anderes"), siehe Foto, spielen da hervorragend mit. (Bitte keine "Traveloutfits" aus Mikrofaser für hunderte von Euros kaufen, denn Mi­kro­fa­sern sind das Asbest des beginnenden 21. Jahrhunderts.)

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Foto: C.E.

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